Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
302 
Gutsbezirke (Preußen) 
  
setzungsverfahren kann noch der letzte Gutsherr 
als Beteiligter in Anspruch genommen werden 
(OBG 23, 168). Bis die neue Ordnung der 
kommunalen Verhältnisse beendigt ist, bleibt der 
Besitzer des Restguts der Gutsherr. Bei starker 
Zerstückelung wird es oft schwierig sein zu ent- 
scheiden, welches Grundstück als Restgut anzu- 
sehen ist. In Zweifelsfällen ist der Besitzer des 
ursprünglichen Rittersitzes der Gutsherr. Mit- 
eigentümer eines selbständigen Gutes zu 
ideellen Teilen haben sämtlich, jeder einzelne für 
sich, die öffentlich-rechtliche Stellung des Guts- 
zerm und sind sämtlich Träger der gutsherrlichen 
echte und Pflichten. Die Ausübung regelt sich 
so, daß sie sich einigen, wem diese zustehen soll. 
Kommt eine Einigung nicht zustande, so findet 
124 Nr. 1 L entsprechende Anwendung 
(O## 37, 204 ff). Steht das Gut im Eigentum 
der Ehefrau, so ist diese, nicht ihr Ehemann, 
Gutsherr (O#G 32, 181). Auch juristische 
Personen können Gutsherrn sein. 
Die von dem Gutsbesitzer zu tragenden öf- 
fentlichen Lasten bestehen hauptsächlich 
in den Kosten der Ortsverwaltung, der polizei- 
lichen Einrichtungen, des Feuerlöschwesens, des 
Wegebaus, der Armenpflege, der Standesamts- 
verwaltung, der Schulunterhaltung, der Ver- 
waltung der Gemeindekrankenversicherung, des 
Heilverfahrens in den ersten 13 Wochen und in 
Leistungen für die bewaffnete Macht. Der Guts- 
besitzer kann aber außer seinen gesetzlichen Pflich- 
ten auch freiwillig innerhalb des Bereichs der ihm 
gesetzlich obliegenden Aufgaben öffentlich-recht- 
liche Verpflichtungen mit verbindlicher Kraft für 
seine Rechtsnachfolger übernehmen und ist auch 
durch etwaige Fideikommißeigenschaft seines Gutes 
hierin nicht gehindert (OV G 36, 204). Ein Recht 
der Unterverteilung der Lasten steht dem 
Gutsbesitzer der Regel nach nicht zu. Nur für West- 
falen ist bestimmt (S 26 Abs 4 westf. Kr O), daß 
die dem Gutsbesitzer obliegenden Lasten auf Grund 
eines vom Kreisausschuß bestätigten Statuts an- 
teilig auch von den übrigen selbständigen Ein- 
wohnern des Gutes zu tragen sind. Sonst bedarf 
es aber besonderer im Gesetz vorgesehener Aus- 
nahmen. So dürfen z. B. die Kosten für die 
Standesamtsverwaltung und die anteiligen Ko- 
sten der Amtsverwaltung nicht unterverteilt wer- 
den. Die Fälle, in denen eine Unterverteilung 
zulässig ist, haben sich in der neueren Gesetzgebung 
bedeutend vermehrt. Es können unterverteilt 
werden die Kosten der Armenpflege (§ 8 G v. 
8. 3. 71, GS-# 130), der Schulunterhaltung (1 8 
Gv. 28. 7. 06, GS 335), der Bekämpfung über- 
tragbarer Krankheiten (§ 28 G v. 28. 8. 05, GS 
373) sowie der Kriegsleistungen für die bewaff- 
nete Macht (§5 8 R v. 13. 6. 73, RöBl 129). 
Voraussetzung ist aber in allen diesen Fällen, daß 
der G. nicht ausschließlich im Eigentum des Guts- 
besitzers steht. Weitergehend ist die Bestimmung 
im Volksschulunterhaltungsgesetz, wonach eine 
Unterverteilung auch zulässig ist, wenn innerhalb 
eines G. einer anderen Person als dem Gutsbe- 
sitzer ein Erbbaurecht zusteht oder wenn im G. 
Steuerpflichtige wohnen, die nicht in einem Lohn- 
oder Dienstverhältnis zum Gutsbesitzer stehen 
(58 Abs 2 Schul G). Dafür steht aber den Betrof- 
fenen auch eine Vertretung an der Verwaltung 
zu. Das Nähere, auch bezüglich der Beitrags- 
  
  
pflicht und des Verfahrens, wird durch ein Statut 
bestimmt, das vom Kreisausschuß festgestellt 
wird und der Bestätigung des Bezirksausschusses 
bedarf. Gegen die Heranziehung stehen den 
Pflichtigen die Rechtsmittel der #s 69, 70 Komm- 
Abg G in sinngemäßer Anwendung zu. Eine Be- 
sonderheit bietet § 2 Kreis= und Provinzialab- 
gabengesetz v. 23. 4. 06 (GS 159), wonach die ein- 
zelnen Gemeinden und G. zur Aufbringung der 
direkten Kreissteuern verpflichtet sind. Der 
vom Kreistage festgestellte Steuerbedarf wird ge- 
mäß #11 auf die einzelnen Gemeinden und Guts- 
bezirke verteilt. Mithin ist der G. der Steuerträger. 
Aber der auf den G. entfallende Teil des Kreis- 
steuerbedarfs wird vom Kreisausschuß durch Ver- 
anlagung der Steuerpflichtigen unterverteilt (§ 13). 
Es handelt sich also um einen gesetzlich vorge- 
schriebenen Fall der notwendigen Untervertei- 
lung. Trotzdem bildet aber der G. nicht einen 
bloßen Verteilungsbezirk, sondern der G. ist der 
primär Verpflichtete. Für Ausfälle hat der Be- 
sitzer des Gutes aufzukommen. 
Hievon zu scheiden sind die Fälle, in denen die 
Leistung sich nicht als eine Last des G. darstellt, 
sondern den einzelnen Bewohnern obliegt, wäh- 
rend die G. nur die Verteilungsbezirke bilden, 
wie bei der Verpflichtung zur Quartierleistung 
nach § 5 des R v. 25. 6. 68 (BGBl 523) und zu 
Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im 
Frieden (O# 4, 135). 
#s. 5. Gutsvorsteher. Der Gutsherr in seiner 
obrigkeitlichen Stellung wird „Gutsvorsteher“ 
genannt. Ihm liegen insbesondere die in den 
§55 90, 91 östl. LGO aufgeführten obrigkeitlichen 
Befugnisse und Pflichten ob (5 123). Die guts- 
herrliche Polizeigewalt ist durch § 46 östl. Kr O 
aufgehoben worden, während die gutsherrliche 
Gerichtsbarkeit bereits durch V v. 2. 1. 49 (GS 5) 
beseitigt war. Heute sind die G. den örtlichen 
Pol Bezirken eingegliedert, im Osten also den 
Amtsbezirken [| sofern sie nicht einen eigenen 
Amtsbezirk bilden. Dieses ist den G. erleichtert. 
Denn es können G. von abgesonderter Lage, die 
ohne wesentliche Unterbrechung ein räumlich zu- 
sammenhängendes Gebiet von erheblichem Flä- 
cheninhalt umfassen, auf Antrag ohne Rücksicht 
auf ihre Einwohnerzahl zu Amtsbezirken erklärt 
werden (§ 48 Nr. 3 östl. Kr O). Alle übrigen Ge- 
meinden und G. werden zu Amtsbezirken ver- 
einigt. Im Amtsausschuß führt der Gutsvorsteher 
allein die auf den G. entfallenden Stimmen 
(O##G 21, 20). Dem Erlaß von Pol Verordnun- 
gen, die nur für einen G. gelten sollen, hat Bera- 
tung mit dem Gutsvorsteher voranzugehen. Auf 
dem Gebiete der Polizei ist der Gutsvorsteher, 
falls er nicht gleichzeitig Amtsvorsteher ist, nur 
für die in den 88 90, 91 östl. LGO bezeichneten 
einzelnen Geschäftszweige zuständig. Daneben 
ist er Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft (vgl. 
gemeinschaftl. Verfügung des Min Inn und der 
Justiz v. 15. 9. 79, MBl 265, JMBl 349). Für 
die dienstliche Stellung des Gutsvorstehers zum 
Amtsvorsteher ist § 65 östl. KrO maßgebend, 
wonach der Amtsvorsteher die Gutsvorsteher durch 
die Zwangsmittel des # 132 des Landesverwal- 
tungsgesetzes anhalten kann, seinen Aufträgen und 
Weisungen nachzukommen. Haftstrafe ist jedoch 
ausgeschlossen. Ein Ordnungsstrafrecht steht dem 
Amtsvorsteher gegen den Gutsvorsteher nicht zu.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.