Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Koalitionsrecht 
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denen aber auch die Kaufleute, und die Hand- 
lungsgehilfen zählen, die Rede sein. Die Koa- 
litionsfreiheit der Gew O erstreckt sich jedoch nicht 
auf Lehrlinge, auch nicht auf diejenigen Personen, 
welche nach der herrschenden Ansicht durch 96 
Gewy von diesem Gesetz ausgeschlossen sind (z. B. 
Eisenbahnarbeiter, Schiffsmannschaften auf See- 
schiffen). Das gleiche gilt für land= und forst- 
wirtschaftliche Arbeiter (X] in Preußen sowie für 
das Gesinde (VI. Siehe darüber Dierig 12 ff. 
Die Bergwerksarbeiter usw. und ihre Arbeit- 
geber dagegen sind durch #154 a Abs 1 GewO 
den Koalitionsbestimmungen der GewdO unter- 
stellt. 
Selten sind zeitweilige Koalitionen unorgani- 
sierter Arbeitgeber oder unorganisierter Arbeiter. 
Der Regel nach führt hier die Koalition zum 
Verein. Es kommt auch vor, daß sich auf jeder 
Seite ein Verband oder mehrere mit unorgani- 
sierten Personen koalieren. Des öfteren findet 
man bei den Arbeitgebern wie bei den Arbeitern 
Koalitionen mehrerer Verbände. Nicht häufig sind 
Koalitionen von Arbeitern und Arbeitgebern auf 
der einen Seite gegen Arbeitgeber auf der andern 
Seite. (Beispielsweise kämpften 1911 in Berlin 
beim sog. Konfektionsstreik Zwischenmeister mit 
nen) zur Aussperrung und zum Streik. Daß die 
preußische Verf v. 31. 1. 50 mit der Gewährung 
des freien Versammlungs- und Vereinsrechts die 
Koalitionsverbote außer Kraft gesetzt habe, meinen 
manche. Die gesetzgebenden Faktoren Preußens 
sind anderer Ansicht. Daher untersagten sie im 
Gv. 24. 4. 54 betr. die Verletzungen der Dienst- 
pflichten des Gesindes J und der ländlichen Arbei- 
ter.bei Strafe die Koalitionen des Gesindes, der 
Schiffsknechte und der Dienstleute. Eine Straf- 
bestimmung gegen etwaige Koalitionen der land- 
  
ihren Arbeitern und den Arbeitern der Großunter- 
nehmer gegen die letzteren.) Neuerdings entstehen 
Koalitionen von Arbeitgebern (Arbeitgeberver- 
bänden) und Arbeiterorganisationen (sog. gelben. 
Organisationen) gegen Arbeitervereine anderer 
Richtung. Tarifverträge [/##s können nicht als Koa- 
litionen aufgefaßt werden, schon weil ihnen eine 
aggressive Eigenschaft nicht innewohnt (DJ3 15, 
497; Heinemann in der ZStrW 32, 203 ff). 
Nach der Gew L dürfen Arbeitgeber und Arbeiter 
beliebig zusammentreten, um Forderungen bezüg- 
lich des Lohnes und anderer Punkte des Arbeits- 
bezw. Dienstvertrages aufzustellen und durchzu- 
führen (Lohnstreiks, Aussperrungen). Koalitionen, 
welche zu Machtstreiks und Solidaritätsstreiks füh- 
ren, gehören also nicht hierher. Anderer Ansicht 
RGt# 39, 382. Das K. können die Arbeiter nicht 
entbehren (Erklärung der Reichsregierung in der 
RKommission 1891 bei der Beratung der GewoO- 
Novelle), wie es heute auch für die Arbeitgeber 
unentbehrlich ist. 
wirtschaftlichen Arbeitgeber hat man im Gesetze 
vergessen. Gerecht verhielt sich dagegen das nicht 
mehr geltende preußische Berggesetz von 1860. 
Dies verpönte Koalitionen der Bergleute, aber 
auch der Bergwerkseigentümer und ihrer Stell- 
vertreter. Siehe dazu & 154 a der GewO. Von 
allen deutschen Staaten hat zuerst Sachsen 1867 
das K. eingeführt. Auch in Preußen waren die 
Freunde der Koalitionsfreiheit nicht untätig ge- 
blieben. Freilich ohne Ergebnis wurde 1861 und 
1865 im Abgeordnetenhause über die Beseitigung 
der die Koalitionsfreiheit beschränkenden Bestim- 
mungen der GewdO (§§ 181 und 182) verhandelt. 
Die Regierung legte 1866 einen Gesetzentwurf 
vor, der die Aufhebung der erwähnten Vorschriften 
aussprach. Dieser Entwurf, der eine dem heutigen 
s* 152 Abs2 Gew O inhaltlich gleiche, Vorschrift und 
in einer anderen Bestimmung den Wortlaut des 
heutigen § 153 brachte, wurde infolge der kriege- 
rischen Ereignisse nicht Gesetz. Im ersten RT des 
Norddeutschen Bundes stellten die Abgeordneten 
Schulze-Delitzsch und Becker den Antrag, die Koa- 
litionsverbote zu beseitigen. Ihr Entwurf gelangte 
mit der Einschränkung, daß für die Seeschiffahrt 
und den Gesindedienst das Verbot aufrechterhalten 
wurde, zur Annahme. Es sollte die Koalitions- 
freiheit den Arbeitgebern und Arbeitern sämtlicher 
Gewerbszweige einschließlich der Landwirtschaft, 
des Berg= und Hüttenbetriebes, der Stromschiff- 
fahrt, des Tagelohndienstes gewährt sein. Der 
letzte Satz des betreffenden Paragraphen bildet 
den Inhalt des jetzigen § 152 Absf 2 Gew O. Der 
B. stimmte jedoch dem Beschlusse des RX nicht 
zu. Die Gew O v. 21. 6. 60 beseitigte dann in den 
132 und 133 die Koalitionsbeschränkungen: 
5 2. Geschichtliches. Bereits die Gesellenver- 
bände der Zunftzeit, die ursprünglich zu anderen 
Zwecken wie die modernen Abeiterorganisationen 
gegründet waren, traten später für dieselben Fra- 
gen ein, die gegenwärtig bei den Arbeiterbewe- 
gungen eine wichtige Rolle spielen (Verbesserung 
der Löhne, der Arbeitszeiten usw.). Streiks und 
Aufstand waren schon damals die Kampfesmittel. 
Die sich mehrenden Gesellenunruhen führten zur 
Reichszunft O v. 16. 8. 1731, welche die Koalitions- 
freiheit der Gesellen vernichtete. Auf ihrer Grund- 
lage entstanden in Preußen die Generalprivilegien 
für die Kur= und Neumark und die Handwerks-O 
v. 10. 6. 1732. Die Koalitionen wurden verboten. 
Nach dem Vorbilde Preußens untersagten andere 
Staaten Deutschlands Vereine und Verabredungen 
der Arbeiter zur Durchsetzung ihrer Forderungen 
und bedrohten die Schaffung von Koalitionen mit 
Strafe. 
Das preußische ALhielt die erlassenen Koa- 
litionsverbote aufrecht, ebenso untersagte die 
Gewo v. 17. 1. 45 die Verabredungen (Koalitio- 
„# 152. Alle Verbote und Strafbestimmungen gegen 
Gewerbetreibende, gewerbliche Gehilfen, Gesellen oder 
Fabrikarbeiter wegen Verabredungen und Vereinigungen 
zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeits- 
bedinaungen, insbesondere mittels Einstellung der Arbeit 
oder Entlassung der Arbeiter, werden aufgehoben. 
Jedem Teilnohmer steht der Rücktritt von solchen Vereini- 
gungen und Verabredungen frei, und es findet aus letzteren 
weder Klage noch Einrede statt.“ 
„* 153. Wer andere durch Anwendung körverlichen 
Zwanges, durch Drohungen, durch Ehrverletzung oder durch 
Verrufserklärung bestimmt oder zu bestimmen versucht, an 
solchen Verabredungen (7( 152) teilzunehmen, oder ihnen 
Folge zu leisten oder andere durch gleiche Mittel hindert 
oder zu hindern versucht, von folchen Verabredungen zu- 
rückzutreten, wird mit Gesängnis bis zu drei Monaten be- 
strast, sofern nach dem allgemeinen Strafgesetz nicht eine 
härtere Strafe eintritt.“ 
§ 3. Rechteinhalt. §+ 152 Abs 1 Gew O erlaubt 
die vertragliche Festsetzung der innerhalb der Koa- 
lition zu gestaltenden Verhältnisse der Mitglieder 
zueinander, Abs 2 läßt den Koalierten wiederum 
Kontraktsbruch offen. Um die politische Freiheit
	        
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