Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
50 Gemeinde (II. Grundlagen) 
  
St O Fr. u. S.-H. hier wie dort Dispens zu. 
Steuerzahlungen, Einkommen und Grundbesitz 
der Ehefrau bezw. der in elterlicher Gewalt stehen- 
den Kinder werden dem Ehemann bezw. dem 
Vater, die Besitzzeit des Erblassers dem Erben 
angerechnet. Ueber die Bedeutung des Gewerbe- 
betriebes für den Erwerb des Bürgerrechts s. 5 13 
der GewO und dazu MinE v. 27. 8. 72 (Ml 224). 
StO O., W., Rh. u. H.-N. 5; Fr. 13, 14; S.H. 7, 8; 
26 Rh. 35 u. 33, 34 i. d. F. d. G v. 15. 5. 56 (a 11); 
W. 15, 17, 18, 20; Ha. 10; O. u. S.-H. 39—41, 46; H.-N. 
9—11, 16, 17; Gem O Ho. 9—11, 17. 
2. Erwerb, Verlust und Schutz 
des Bürgerrechts. Sobald diese Erfor- 
dernisse in der Person eines Angehörigen der Gem 
zusammen treffen, erwirbt er das Bürgerrecht 
ipso jure, ohne besondere Verleihung. Eine 
solche kommt nur dann in Frage, wenn jemand, 
der bereits das Bürgerrecht in einer Gem erwor- 
ben hat oder Besitzer eines selbständigen Guts- 
bezirks ist, seinen Wohnsitz nach einer anderen Gem 
verlegt, und es sich nun darum handelt, ihn auch 
hier alsbald zur Teilnahme an den politischen 
Rechten zuzulassen. In solchen Fällen ist die Gem 
des neuen Wohnsitzes befugt, dem Zugezogenen 
schon vor Ablauf der oben unter Ierwähnten Karenz- 
frist von 1 bezw. 2 Jahren das Bürgerrecht zu 
verleihen, wofern nur sonst die Erfordernisse zu 
dessen Erlangung vorhanden sind. Inwiefern 
über die Erlangung des Bürgerrechts eine beson- 
dere Urkunde auszustellen ist, bleibt statuta- 
rischer Anordnung vorbehalten; die Urkunde ent- 
behrt jedoch einer rechtlichen Bedeutung und ist 
der St O Fr. sowie den LGO Rh. u. W. überhaupt 
unbekannt. Eine gleichfalls veraltete Institution 
ist sodann das Bürgerrechtsgeld, das 
nur in Stadt Gem vorkommt und von diesen auf 
Grund genehmigungspflichtiger Beschlüsse beim 
Erwerb des Bürgerrechts erhoben werden kann, 
ohne daß dieser jedoch durch die Entrichtung der 
Abgabe bedingt würde. Es ruht rielmehr ledig- 
lich die Ausübung des Bürgerrechts solange, bis 
die Abgabe entrichtet ist (Näheres bestimmt das 
Gv. 14. 5. 60). Unzulässig ist die Erhebung eines 
Bürgerrechtsgeldes in Schleswig-Holstein. 
Das Bürgerrecht geht verloren, sobald eines 
seiner Erfordernisse bei dem bisher Berechtigten 
nicht mehr zutrifft. Es verbleibt jedoch nach LGO 
H. N. und GemO Ho. demjenigen, bei welchem 
die Voraussetzung der wirtschaftlich selbständigen 
Existenz deshalb nicht mehr vorhanden ist, weil 
er seinen Grundbesitz unter Vorbehalt von Alten- 
teilen, Leibgedingen oder ähnlichen Leistungen 
an seine Abkömmlinge oder andere Personen über- 
geben hat. Ist das Bürgerrecht wegen Fortfalls 
einer seiner Erfordernisse verloren gegangen, so 
kann es erst dann neu erworben werden, wenn 
die letzteren sämtlich wieder während der vorge- 
schriebenen Fristen vorhanden gewesen wären. 
Verschieden von dem Verlust ist das Ruhen des 
Bürgerrechts, das für die Dauer des Verfahrens 
dann eintritt, wenn gegen einen Bürger das Kon- 
kursverfahren eröffnet (AcE zur Konk O v. 6. 3. 79, 
§l# 52) oder die Untersuchungehaft verhängt oder das 
Hauptverfahren wegen eines Verbrechens oder 
Vergehens eröffnet worden ist, welches die Ab- 
erkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge 
haben kann. Nach StO und LG0O H.-N. und 
GemO Ho. ruht das Bürgerrecht außerdem, so- 
  
lange ein Bürger entmündigt ist, ferner wenn er 
öffentliche Armenunterstützung erhält während 
6 Monaten nach dem Empfang, sofern die Unter- 
stützung nicht schon früher erstattet wird, und 
schließlich bei Nichtzahlung der schuldigen Gem- 
Abgaben mit der Maßgabe, daß das Ruhen erst 
8 Tage bezw. 4 Wochen nach erfolgter Mahnung 
beginnt und dann bis zur Begleichung der Schuld 
fortdauert. Das Bürgerrecht ruht ferner bis zur 
Entrichtung des Bürgerrechtsgeldes sowie für die 
dem Beurlaubtenstande angehörigen Bürger wäh- 
rend der Zeit, in der sie zum aktiven Heere ein- 
berufen sind: § 38 RMil G v. 2. 5. 74. 
Auf Beschwerden und Einsprüche betr. den Er- 
werb, Besitz oder Verlust des Bürgerrechts be- 
schließt die Gem Vertretung, ohne daß es einer 
Genehmigung oder Bestätigung von seiten des 
Gem Vorstandes oder der Aussichtsbehörde be- 
dürfte. Doch steht die Klage im Verw Streitver- 
fahrer, die gegen den Beschluß der Gen Vertre- 
tung gegeben ist, auch dem Gem Vorstande zu. 
Wo eine Gen Vertretung nicht besteht, beschließt 
statt ihrer der Gem Vorstand, gegen dessen Be. 
schluß dann natürlich nur der betr. Partei die 
Klage zusteht. 
St O O., W., Rh. 6, 7; Fr. 15, 16, 19, 20; S.-H. 8, 
12, 13, 15; H.-N. 6, 7, 9, 11; 260 Rh. 36 u. 38—40 i. b. 
F. d. G v. 15. ö. 56 (a 12); W. 19, 22; O. u. S. H. 42—44, 
66; H.-N. u. Gem O Ho. 12—15, 37; Zust G 10, 11, 27 
u. 28. 
# 3. Abweichungen von dem Prinzip der 
Einwohnergemeinde. 
1. Städteordnung Hannover. Ab- 
weichend von den bisher dargestellten Rechtsnor- 
men gliedert sich die Einwohnerschaft in den 
Stadt= und Land Gem der Provinz Ha. sowie in 
den Land Gem von W. und Rh. nach Grund- 
sätzen, welche als eine Vermischung des Prinzips 
der modernen Einwohner= mit dem der älteren 
Bürger Gem erscheinen, ohne daß sich im Einzel- 
falle immer mit Bestimmtheit sagen läßt, welches 
von beiden als das jeweils überwicgende anzu- 
sehen ist. Für die St O Ha. ist es zunächst charakte- 
ristisch, daß hier das Bürgerrecht nicht ipso iure, 
sondern durch ausdrückliche Verleihung erworben 
wird, deren es nur für die Mitglieder des Magi- 
strats sowie dic im Dienste der Stadt dauernd und 
ohne Kündigungsvorbehalt Angestellten nicht be- 
darf: 3 21. Verpflichtet zum Erwerb des Bürger- 
rechts sind diese jedoch ebenso wie diejenigen 
Personen, welche im Stadtbezirk ein Wohnhaus 
eigentümlich erwerben oder sich behufs selbstän- 
diger Ausübung einer Kunst oder einer Wissen- 
schaft niederlassen oder aber 3 Jahre lang ein 
stehendes Gewerbe betrieben haber (§ 13 GewO; 
s. v. § 2 unter Z. 1 a. E.). Die Verpflich- 
tung zum Erwerb des Bürgerrechts tritt 
unter diesen Voraussetzungen auch für „Frauen- 
zimmer“ ein; sie kann durch Ortsstatut, dem 
auch sonst nähere Bestimmungen vorbehalten 
sind, sogar auf solche Eigentümer eines 
Wohnhauses ausgedehnt werden, die außerhalb 
des Stadtbezirks ihren Wohnsitz haben: 88 22 und 
24, s. auch § 23. Gilt die Verpflichtung nur für 
besonders qualifizierte Einwohner, so steht der 
Anspruch auf das Bürgerrecht Allen zu, die von 
unbescholtenem Wandel sind: § 26. Für die Ge- 
winnung des Bürgerrechts ist eine durch Orts- 
statut näher zu bestimmende Gebühr, das Bürger- 
 
	        
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