Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Gemeinde (III. Organisation) 
  
der Stadtverordneten unterliegen und solche, die 
durch Gesetz oder durch die vom Stadtrat zu er- 
richtende Geschäftsordnung (Inhalt: Geschäfts- 
verteilung, Androhung von Disziplinarstrafen bei 
Ordnungswidrigkeiten) kollegialer Beschlußfassung 
besonders überwiesen sind. Den Vorsitz in den 
(nicht öffentlichen) Ratssitzungen führt der Bür- 
germeister bezw. 1. Bürgermeister, in Behinde- 
rungsfällen vertreten durch seinen „Stellver- 
treter“ (s. K3c). Er ist „Vorsteher“ (nicht Vor- 
gesetzter) des Stadtrats und hat als solcher den 
gesamten Geschäftsgang zu leiten und zu beauf- 
sichtigen. Außerdem vertritt er den Stadtrat (und 
namens desselben die Stadtgemeinde, s. u.) nach 
außen. Ob diese Vertretungsbefugnis auch an- 
dere Ratsmitglieder, jedes für den ihm zur Be- 
schlußfassung zugewiesenen Geschäftskreis, be- 
sitzen, ist streitig. RStO 5 106 nennt nur den 
Bürgermeister und seinen „Stellvertreter“. Er- 
gänzend ist jedoch RStO s 109 heranzuziehen. 
Wenn dort bestimmt wird, daß „für die Legali- 
tät kollegialer Beschlüsse zunächst der Vorsitzende 
verantwortlich sei, bei allen anderen Beschlüssen 
aber zunächst derjenige, der die schrift- 
liche Ausfertigung unterzeichnet 
und die Ausführung angcordnet 
(also doch den Stadtrat nach außen vertreten) hat, 
so dürfte erhellen, daß nach Meinung des Gesetz- 
gebers nur für solche Angelegenheiten, die der 
kollegialen Beschlußfassung vorbehalten sind (also 
hauptsächlich für wichtigere Angelegenheiten der 
Stadtgemeinde als Vermögenssubjektes) die Ver- 
tretungsbefugnis auf den Bürgermeister und seinen 
Stellvertreter beschränkt sein soll. Hiermit stimmt 
auch die Praxis überein, vgl. Jahrb. des OVG 9, 
160. Ueber gemeinschaftliche Sitzungen beider 
städtischer Kollegien oben 8 3b. 
c) Wirkungskreis. Der Stadtrat ist ge- 
setzlicher Vertreter der Gem und Obrigkeit des 
Gem Volkes. In ersterer Eigenschaft steht ihm die 
Verwaltung der Gem Angelegenheiten (insbeson- 
dere also die Verwaltung des Gem Vermögens 
und der Gem Anstalten, die Ausübung der Kolla- 
tur= und Patronatsrechte der Stadt, die Vertei- 
lung und Einziehung der Gem Abgaben und son- 
stigen Gem Leistungen) sowie die Vertretung der 
Gem nach außen und den Gen Mitgliedern gegen- 
über zu. Als Ortsobrigkeit ordnet und beauf- 
sichtigt er das gesamte Stadtwesen und ist er mit 
der Befugnis ausgestattet, zwecks Durchführung 
seiner Anordnungen Strafen anzudrohen und zu 
vollstrecken. Der Stadtrat ist außerdem und zwar, 
wie in seinen übrigen Funktionen, auf Kosten der 
Stadt Gem, örtliches Organ der Staats- und Be- 
zirksverwaltung („untere Verw Behörde im Sinne 
der Reichs= und Landesgesetze“) und verwaltet 
als solches insbesondere die Wohlfahrts- und Si- 
cherheitspolizei, letztere mangels anderer Anord- 
nung der Aufsichtsbehörde unter persönlicher Lei- 
tung und Verantwortung des Bürgermeisters 
(bes. Einrichtungen in Leipzig, Chemnitz, Plauen 
und Zwickau: dort Verwaltung der Sicherheits- 
polizei durch selbständige Polizeiämter unter einem 
Direktor, der jedoch Mitglied des Stadtrats ist; 
in Dresden Königl. Polizei). Als örtliches Organ- 
der Staats= und Bezirksverwaltung ist der Stadt- 
rat, wie jede andere staatliche Verw Behörde, den 
Oberbehörden gegenüber gehorsamspflichtig, kann 
also gegen ihre Entscheidungen höchstens „vor- 
  
  
stellig“ werden, nicht aber Rechtsmittel einlegen. 
Trotzdem wird er häufig in der Lage sein, Streit- 
fragen bis an das O#G zu bringen, da die Ent- 
scheidungen vielfach auch Interessen der Stadt- 
Gem als Selbstverwaltungskörpers oder Ver- 
mögenssubjektes berühren, als dessen Vertreter 
der Stadtrat keiner Einschränkung unterliegt. 
KStO / 83—110. 
#5. Hilfsorgane können zur Unterstützung 
des Stadtrats statutarisch bestellt werden, nämlich 
1. gemischte ständige Ausschüsse, bestehend 
aus einem oder mehreren vom Stadtrat ernann- 
ten Ratsmitgliedern, von denen eins den Vorsitz 
führt, und einer Anzahl von den Stadtverordneten 
gewählter Stadtverordneten oder wählbarer Bür- 
ger (Ehrenamt); für Annahme und Ablehnung 
der Wahl gilt das für die Wahl zum Stadtverord- 
neten Gesagte. Von der ernennenden Körper- 
schaft können die Ausschußmitglieder jederzeit 
durch andere ersetzt werden. Die Tätigkeit der 
Ausschüsse ist regelmäßig nur eine begutachtende 
dem Rate gegenüber, doch können sie ausnahms- 
weise mit dem Rechte selbständiger Verfügung 
und insoweit mit behördlichem Charakter ausge- 
stattet werden. (Von der Einrichtungsmöglich- 
keit gemischter Ausschüsse wird reicher Gebrauch 
gemacht. Bei geschickter Auswahl ihrer Mitglieder 
aus kaufmännischen und technischen Kreisen der 
Bürgerschaft bewähren sie sich hauptsächlich für 
die sich stetig mehrenden wirtschaftlichen Betriebe 
der Städte.) 
2. Bezirksvorsteher, die vom Stadtrat 
aus je 3 von den Stadtverordneten präsentierten 
Bürgern ernannt werden. Sie haben in Unter- 
ordnung unter den Stadtrat diesen bei der Ver- 
waltung einzelner Bezirke, in die die Stadt zu 
diesem Zwecke geteilt wird, zu unterstützen. Wird 
ihnen eine allgemeine Instruktion erteilt, so be- 
darf sie, wie (§H5c) erwähnt, der Zustimmung der 
Stadtverordneten. Ihr Amt ist wie das der 
Stadtverordneten Pflichtehrenamt. Als regel- 
mäßige Aufgabe wird den Bezirksvorstehern, die 
sich in etwa 50 Städten finden, eine Mitwirkung 
bei der Armenverwaltung zugewiesen, außerdem 
häufig die Begutachtung in gesundheits= und 
wohlfahrtspolizeilichen Angelegenheiten, Aus- 
kunftserteilung über persönliche und Vermögens- 
angelegenheiten der Bezirksbewohner, Mitwir- 
kung bei statistischen Erhebungen. 
RötO 5# 121—130. 
#5+# 6. Stadtgemeinderat. Durch Ortsstatut 
können Stadtrat und Stadtverordnete zu einem 
Organe, dem Stadtgemeinderat, verschmolzen 
werden (so in Löbau, Neustadt usw.). Zu seinem 
Wirkungskreis gehört alles, wozu sonst die Be- 
schlußfassung der Stadtverordneten erforderlich 
ist, sowie die Ausübung der Kollatur= und Patro- 
natsrechte der Stadt. Für seine Sitzungen finden 
die Vorschriften über die Geschäftsführung der 
Stadtverordneten (Aufstellung einer Geschäfts- 
ordnung, Beschlußfassung mit einfacher Mehrheit 
bei 23 Anwesenheit, Protokollführung, Oeffent- 
lichkeit der Sitzungen) entsprechende Anwendung; 
Berufung und Leitung der Sitzungen steht dem 
Bürgermeister zu. Bei Prüfung der Gemech- 
nungen sowie bei Bestellung von Aktoren zwischen 
Stadt Gem und Stadtrat hat sich letzterer der Be- 
ratung und Beschlußfassung zu enthalten; zur 
Erledigung dieser Angclegenheiten wählen sich
	        
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