82
Gemeinde (III. Organisation)
der Stadtverordneten unterliegen und solche, die
durch Gesetz oder durch die vom Stadtrat zu er-
richtende Geschäftsordnung (Inhalt: Geschäfts-
verteilung, Androhung von Disziplinarstrafen bei
Ordnungswidrigkeiten) kollegialer Beschlußfassung
besonders überwiesen sind. Den Vorsitz in den
(nicht öffentlichen) Ratssitzungen führt der Bür-
germeister bezw. 1. Bürgermeister, in Behinde-
rungsfällen vertreten durch seinen „Stellver-
treter“ (s. K3c). Er ist „Vorsteher“ (nicht Vor-
gesetzter) des Stadtrats und hat als solcher den
gesamten Geschäftsgang zu leiten und zu beauf-
sichtigen. Außerdem vertritt er den Stadtrat (und
namens desselben die Stadtgemeinde, s. u.) nach
außen. Ob diese Vertretungsbefugnis auch an-
dere Ratsmitglieder, jedes für den ihm zur Be-
schlußfassung zugewiesenen Geschäftskreis, be-
sitzen, ist streitig. RStO 5 106 nennt nur den
Bürgermeister und seinen „Stellvertreter“. Er-
gänzend ist jedoch RStO s 109 heranzuziehen.
Wenn dort bestimmt wird, daß „für die Legali-
tät kollegialer Beschlüsse zunächst der Vorsitzende
verantwortlich sei, bei allen anderen Beschlüssen
aber zunächst derjenige, der die schrift-
liche Ausfertigung unterzeichnet
und die Ausführung angcordnet
(also doch den Stadtrat nach außen vertreten) hat,
so dürfte erhellen, daß nach Meinung des Gesetz-
gebers nur für solche Angelegenheiten, die der
kollegialen Beschlußfassung vorbehalten sind (also
hauptsächlich für wichtigere Angelegenheiten der
Stadtgemeinde als Vermögenssubjektes) die Ver-
tretungsbefugnis auf den Bürgermeister und seinen
Stellvertreter beschränkt sein soll. Hiermit stimmt
auch die Praxis überein, vgl. Jahrb. des OVG 9,
160. Ueber gemeinschaftliche Sitzungen beider
städtischer Kollegien oben 8 3b.
c) Wirkungskreis. Der Stadtrat ist ge-
setzlicher Vertreter der Gem und Obrigkeit des
Gem Volkes. In ersterer Eigenschaft steht ihm die
Verwaltung der Gem Angelegenheiten (insbeson-
dere also die Verwaltung des Gem Vermögens
und der Gem Anstalten, die Ausübung der Kolla-
tur= und Patronatsrechte der Stadt, die Vertei-
lung und Einziehung der Gem Abgaben und son-
stigen Gem Leistungen) sowie die Vertretung der
Gem nach außen und den Gen Mitgliedern gegen-
über zu. Als Ortsobrigkeit ordnet und beauf-
sichtigt er das gesamte Stadtwesen und ist er mit
der Befugnis ausgestattet, zwecks Durchführung
seiner Anordnungen Strafen anzudrohen und zu
vollstrecken. Der Stadtrat ist außerdem und zwar,
wie in seinen übrigen Funktionen, auf Kosten der
Stadt Gem, örtliches Organ der Staats- und Be-
zirksverwaltung („untere Verw Behörde im Sinne
der Reichs= und Landesgesetze“) und verwaltet
als solches insbesondere die Wohlfahrts- und Si-
cherheitspolizei, letztere mangels anderer Anord-
nung der Aufsichtsbehörde unter persönlicher Lei-
tung und Verantwortung des Bürgermeisters
(bes. Einrichtungen in Leipzig, Chemnitz, Plauen
und Zwickau: dort Verwaltung der Sicherheits-
polizei durch selbständige Polizeiämter unter einem
Direktor, der jedoch Mitglied des Stadtrats ist;
in Dresden Königl. Polizei). Als örtliches Organ-
der Staats= und Bezirksverwaltung ist der Stadt-
rat, wie jede andere staatliche Verw Behörde, den
Oberbehörden gegenüber gehorsamspflichtig, kann
also gegen ihre Entscheidungen höchstens „vor-
stellig“ werden, nicht aber Rechtsmittel einlegen.
Trotzdem wird er häufig in der Lage sein, Streit-
fragen bis an das O#G zu bringen, da die Ent-
scheidungen vielfach auch Interessen der Stadt-
Gem als Selbstverwaltungskörpers oder Ver-
mögenssubjektes berühren, als dessen Vertreter
der Stadtrat keiner Einschränkung unterliegt.
KStO / 83—110.
#5. Hilfsorgane können zur Unterstützung
des Stadtrats statutarisch bestellt werden, nämlich
1. gemischte ständige Ausschüsse, bestehend
aus einem oder mehreren vom Stadtrat ernann-
ten Ratsmitgliedern, von denen eins den Vorsitz
führt, und einer Anzahl von den Stadtverordneten
gewählter Stadtverordneten oder wählbarer Bür-
ger (Ehrenamt); für Annahme und Ablehnung
der Wahl gilt das für die Wahl zum Stadtverord-
neten Gesagte. Von der ernennenden Körper-
schaft können die Ausschußmitglieder jederzeit
durch andere ersetzt werden. Die Tätigkeit der
Ausschüsse ist regelmäßig nur eine begutachtende
dem Rate gegenüber, doch können sie ausnahms-
weise mit dem Rechte selbständiger Verfügung
und insoweit mit behördlichem Charakter ausge-
stattet werden. (Von der Einrichtungsmöglich-
keit gemischter Ausschüsse wird reicher Gebrauch
gemacht. Bei geschickter Auswahl ihrer Mitglieder
aus kaufmännischen und technischen Kreisen der
Bürgerschaft bewähren sie sich hauptsächlich für
die sich stetig mehrenden wirtschaftlichen Betriebe
der Städte.)
2. Bezirksvorsteher, die vom Stadtrat
aus je 3 von den Stadtverordneten präsentierten
Bürgern ernannt werden. Sie haben in Unter-
ordnung unter den Stadtrat diesen bei der Ver-
waltung einzelner Bezirke, in die die Stadt zu
diesem Zwecke geteilt wird, zu unterstützen. Wird
ihnen eine allgemeine Instruktion erteilt, so be-
darf sie, wie (§H5c) erwähnt, der Zustimmung der
Stadtverordneten. Ihr Amt ist wie das der
Stadtverordneten Pflichtehrenamt. Als regel-
mäßige Aufgabe wird den Bezirksvorstehern, die
sich in etwa 50 Städten finden, eine Mitwirkung
bei der Armenverwaltung zugewiesen, außerdem
häufig die Begutachtung in gesundheits= und
wohlfahrtspolizeilichen Angelegenheiten, Aus-
kunftserteilung über persönliche und Vermögens-
angelegenheiten der Bezirksbewohner, Mitwir-
kung bei statistischen Erhebungen.
RötO 5# 121—130.
#5+# 6. Stadtgemeinderat. Durch Ortsstatut
können Stadtrat und Stadtverordnete zu einem
Organe, dem Stadtgemeinderat, verschmolzen
werden (so in Löbau, Neustadt usw.). Zu seinem
Wirkungskreis gehört alles, wozu sonst die Be-
schlußfassung der Stadtverordneten erforderlich
ist, sowie die Ausübung der Kollatur= und Patro-
natsrechte der Stadt. Für seine Sitzungen finden
die Vorschriften über die Geschäftsführung der
Stadtverordneten (Aufstellung einer Geschäfts-
ordnung, Beschlußfassung mit einfacher Mehrheit
bei 23 Anwesenheit, Protokollführung, Oeffent-
lichkeit der Sitzungen) entsprechende Anwendung;
Berufung und Leitung der Sitzungen steht dem
Bürgermeister zu. Bei Prüfung der Gemech-
nungen sowie bei Bestellung von Aktoren zwischen
Stadt Gem und Stadtrat hat sich letzterer der Be-
ratung und Beschlußfassung zu enthalten; zur
Erledigung dieser Angclegenheiten wählen sich