Oeffentliche Rechte und Pflichten 5
ordnung erlassenen befen Die Rechtsordnung
hat sich des von ihr erlassenen Befehls zu seinen
Gunsten entäußert, sie hat ihren Befehl zu seinem
Befehl gemacht. Das Recht ist sein Recht
geworden“ (5 37). Jellinek (Subj. ö. R.# 1905,
41 ff) erblickt die Lösung in der Verbindung der
von v. Ihering und Windscheid aufgestellten Mo-
mente und versteht unter dem subj. R. das durch
Anerkennung menschlicher Willensmacht (formales
Element) geschützte Gut oder Interesse (mate-
rielles Element); es besteht ausschließlich in der
Fähigkeit, Rechtsnormen im individuellen In-
teresse in Bewegung zu setzen, widrigenfalls ein
bloßes „Reflexrecht“ vorliegt. Auch Zitelmann
(Int. Priv. R. 1, 37) kombiniert die einzelnen
Momente und bezeichnet als subj. (Privat-) R.
die durch objektive Rechtssätze hergestellte beson-
ders günstige Rechtslage einer Person gegenüber
einer oder allen andern, sofern das Eintreten und
die Durchführung des staatlichen Schutzes dieser
Rechtslage von der obj. Rechtsordnung in den
Willen jener ersten Person verstellt ist. Neuestens
hat sich Kelsen (Hauptprobleme der Staatsrechts-
lehre, 1911) eingehend mit dem Problem be-
schäftigt. Er unterscheidet 2 Begriffe des subj. K.:
er leitet das subj. R. aus dem objektiven R. ab,
und zwar zunächst „in bezug auf den Rechtssatz
i. e. S., d. i. jenen Spezialfall des Rechtssatzes,
der einen Willen des Staates zur Strafe oder
Exekution beinhaltet“, sodann bezüglich der
Rechtssätze schlechthin. Subj. R. i. e. S. ist der
Rechtssatz in seinem Verhältnis zu derjenigen
Person, von deren Verfügung die Realisierung
des im Rechtssatze ausgesprochenen Willens des
Staates zur Unrechtsfolge abhängig gemacht ist
(S. 625), subj. R. i. w. S. der Rechtssatz i. V. zu
derjenigen Person, von deren Anspruch der im
Rechtssatz erklärte Wille des Staates zu irgend-
einem Handeln abhängig gemacht ist (S. 663).
2. Am besten dürfte das Wesen des fubi. R.
durch die Kombinationstheorie im Sinne von
Jellinek und Zitelmann gekennzeichnet werden.
Subjektives R. ist ein Erzeugnis der objektiven
Rechtsordnung, und zwar eine Rechtsgestaltung
des Inhaltes, daß eine gewisse Befugnis im In-
teresse einer bestimmten Person mit dieser Per-
son derartig verknüpft wird, daß die Befugnis
einen Bestandteil der Rechtssphäre dieser Person
bildet und allein von ihr ausgeübt werden kann.
Das obj. R. setzt im Interesse einer bestimmten
Person eine ein Rechtsgut derselben schützende
und seinen Genuß sichernde Norm und verleiht
ferner der so begünstigten Person die ausschließ-
liche Willensmacht, im Falle der Verletzung der
Norm den darin enthaltenen staatlichen Befehl
aus eigener Initiative auszulösen und dem Ver-
pflichteten gegenüber zwangsweise durchzusetzen.
Die beiden Wesensmerkmale des subj. R. sind
demnach Normenschutz und Befugnis (Giese,
Grundrechte 70). Wirkung (nicht Wesensmerk-
mal) des Normenschutzes ist der Genuß des ge-
schützten Rechtsgutes, Wirkung der Willensbe-
sugnis die Bindung des Willens einer dem Be-
rechtigten gegenüberstehenden andern Person
(nicht Sache). Es ist deshalb lediglich ein abge-
kürzter, der konkreten, natürlichen Anschauung
sich anpassender Sprachgebrauch, wenn die ding-
lichen Rechte als Rechte bezeichnet werden, welche
dem Berechtigten die Sache unmittelbar unter-
werfen, während ihr Inhalt in Wirklichkeit dahin
geht, daß ihr Inhaber von jedermann verlangen
kann, daß er sich jeder Verfügung über die Sache,
sowie jedes Eingriffs in den Besitz und Genuß
der Sache enthalte.
Alle subjektiven R. haben ihre Wurzel in der
objektiven Rechtsordnung, sei es unmittelbar, in-
dem der Berechtigte sich für die Existenz seines
Rechtes auf eine positive gesetzliche Vorschrift be-
rufen kann, sei es mittelbar, indem das obj. R.
die Befugnis durch Verfügung, Vertrag usw.
hat entstehen lassen.
52. Oeffentliche Rechte und Pflichten. Pri-
vatrechtliche Befugnisse und Pflichten ergeben
sich aus den durch das Privatrecht geregelten Be-
ziehungen der einzelnen zueinander (§F 11). Oef-
fentlich-rechtliche Befugnisse und Pflichten er-
eben sich aus der Zugehörigkeit der einzelnen Per-
22 zu einem bestimmten Staate oder zu einem
öffentlichen, einen organischen Bestandteil des
Staates bildenden Gemeinwesen (Kommunal=
verband, Korporation, Anstalt), sowie aus den
Beziehungen, in welchen die einzelnen Staats-
angehörigen mit Rücksicht auf ihre Zugehörigkeit
zum Staate zueinander stehen.
Bezüglich des Umfangs und der Einteilung der
privatrechtlichen Befugnisse und Pflichten ist im
allgemeinen kein Streit. Man unterscheidet in
der Regel persönliche (obligatorische), familien-
rechtliche und dingliche Rechtsverhältnisse. Da-
gegen gehen die Ansichten über Umfang, Bezeich-
nung und Einteilung der öffentlich-rechtlichen Be-
fugnisse und Pflichten sehr auseinander und ebenso
ist der Sprachgebrauch der Gesetze nicht bloß ver-
schiedener Staaten, sondern selbst eines und des-
selben Staates schwankend und beschränkt (Dant-
scher, Die politischen Rechte 8 ff).
Als Ausgangspunkt ist jedenfalls festzuhalten,
daß die 5. R. und P. sich stets und sämtlich aus
der Zugehörigkeit einer Person zu einem bestimm-
ten Gemeinwesen ergeben und daß als ihre Sub-
jekte grundsätzlich nur die der Staatsgewalt unter-
worfenen Personen (auch Gemeinden usw.) in
ihrem Verhältnisse zum Staate erscheinen. Aus-
zuscheiden sind demnach vom Begriffe der 5. R.
und P. diejenigen Befugnisse und Verpflichtungen,
welche sich für einen Staat aus seinen völkerrecht-
lichen Beziehungen oder aus seiner Zugehörigkeit
zu einem Bundesstaate ergeben. Ebenso gehören
nicht hierher die Rechte und Pflichten, welche aus
der Mitgliedschaft einer Kirche oder Religions-
gesellschaft entstehen, sofern nicht die Kirche oder
eligionsgesellschaft als Ganzes oder in ihren
einzelnen Gemeinden, Korporationen und An-
stalten den einen Bestandteil des staatlichen Or-
ganismus bildenden politischen Gemeinden gleich-
gestellt ist und dementsprechend die bezüglichen
kirchenrechtlichen Verhältnisse unter staatlichem
Schutze stehen.
z 3. Oeffentliche Rechte insbesondere. Nach
dieser Abgrenzung des Umfangs wird man unter
den öffentlichen Rechten folgende Gruppen unter-
scheiden können:
1. Vielfach rechnet man zu dem 5. R. die sog.
Grundrechte oder Freiheitsrechte
(droits de homme). Diese Grundrechte sind
zunächst obiektive, eine Selbstbeschränkung und
Selbstbindung des Staates enthaltende Rechts-
normen dazu bestimmt. den in unserer Rechts-