Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Religionsunterricht 
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Entschließungen den R. betreffend, in Hessen 
bezüglich des Lehrplanes und der allgemeinen 
Anordnungen über den R. ein vorgängiges Be- 
nehmen mit den kirchlichen Behörden angeordnet 
und außerdem in Hessen auch diesen die Auswahl 
und Einführung der Religionslehrbücher, unter 
Wahrung eines Einspruchsrechts für das Min Inn 
überlassen ist. Die kirchlichen Behörden besitzen 
nicht das Recht, bei wahrgenommenen Mißstän- 
den und Mängeln etwaige, den R. betreffende 
Verfügungen an die Lehrer oder Schulbehörden 
zu erlassen, vielmehr haben sie sich mit den er- 
forderlichen Anträgen an die letzteren zu wenden, 
damit diese nach Prüfung die geeigneten Maß- 
nahmen ergreifen. 
Sachsen: Gov. 16. 4. 73 1 III; Volksschul G v. 26. 4. 73 
Da 18, 29, Ausf. V v. 25. 8. 73 1# 35, 37.— Hessen: Volks- 
schul G v. 16. 6ö. 74 a 68, 4, Erl. Oberkonsistorium v. 10. 7. 08 
(A#s Bl 1909, 52)0. — Braunschweig: G v. 8. 4. 76 
betr. die Errichtung einer Oberschulkommission und die 
staatl. Beaufsichtigung der Unterrichtsanstalten, § 5. — Al- 
ten burg: 8 v. 30. 4. 08 betr. die Beaufsichtigung des 
R. in den Volksschulen, AK Bl. 1900, 384. — Elsaß- 
Lothringen: G v. 15. 3. 50 a 44; G v. 12. 2. 73 1 1. 
3. In denjenigen deutschen Staaten, in denen die 
geistliche Schulaufsicht fortbesteht, ist das Bedürf- 
nis der kirchlichen Beaufsichtigung des R. damit 
als befriedigt angesehen, sodaß es an einer be- 
sonderen gesetzlichen Regelung fehlt. 
In den Verfassungsgesetzen einer Reihe preu- 
Kischer und außerpreußischer evangelischer Landes- 
kirchen wird den Kirchenregimentsbehörden und 
den Kirchengemeindeorganen die Fürsorge für 
den R. in der Schule zugewiesen. Eine Zuständig- 
keit zu unmittelbarer Einwirkung auf die Schule 
oder auch nur zu einer in den staatlichen Schul- 
gesetzen nicht vorgesehenen Aufsicht wird dadurch 
nicht begründet; sie haben sich vielmehr die er- 
forderliche Information durch den zur kirchlichen 
Aufsicht über den R. zuständigen Ortsgeistlichen 
zu verschaffen. 
IV. Nur eine kleine Gruppe von Gesetzgebungen 
schließt jede Mitwirkung der Kirche vom R. aus. 
Den Uebergang hierzu bildet Oldenburg, 
das nur dem geistlichen Mitgliede des weltlichen 
Schulvorstandes als Fachmann die Aussicht über 
den R. überträgt (Schul G v. 4. 2. 10 5 24). Das 
min in gibche Volksschul G v. 3. 1. 08 (a 85) 
schließt vollends jede besondere Aufsicht über den 
R. aus. 
#§s# 2. Die Meligionslehrer. 
I. Die sogenannte missio cano- 
nica und die Ablegung des Tri- 
dentinischen Glaubensbekennt- 
nisses. 
1. Die katholische Kirche fordert heute, 
daß jeder, der öffentlich R. erteilen will, zuvor 
  
  
die kirchliche Ermächtigung seitens des zuständigen 
kirchlichen Oberen (also für die Regel des Bischofs, 
die sog. missio canonica) einholt. Dieser im Recht 
der Kirche begründete Anspruch ist von ihr praktisch 
erst im Laufe des 19. Jahrhunderts, allseitig erst 
seit dem Jahre 1848 erhoben worden, während 
im 18. Jahrh., trotzdem die Kirche infolge der Ver- 
staatlichung der Schulen vielfach ihren Einfluß 
auf die Anstellung der Lehrer verloren hatte, 
davon nicht die Rede gewesen ist. Auch die nach 
der Reformation geforderte Ablegung des Triden- 
tinischen Glaubensbekenntnisses wird seit jener 
  
Zeit von der katholischen Kirche wieder verlangt, 
und zwar soll sie vor Ausübung des Amtes in 
die Hände des zuständigen Landdechanten oder 
eines bischöflichen Kommissars geschehen. 
2. Nach staatlichem Recht ist die katho- 
lische Kirche da, wo ihr, wie in Baden (*1 1) 
(und Oesterreich) die Besorgung und Lei- 
tung des R. zusteht, sie also auch das Recht besitzt, 
über die Befähigung zur Erteilung desselben zu 
entscheiden, rechtlich in der Lage, diese Anforde- 
rungen zu stellen und zur Durchführung zu bringen. 
(Bad. Schul G v. 7. 7. 10 § 44 Abs 3: „Die Ent- 
scheidung über die Befähigung zur Erteilung des 
R. steht den betreffenden Kirchen= und Religions- 
gemeinschaften zu und wird den Kandidaten durch 
Vermittlung der Oberschulbehörde eröffnet“.) Aber 
andererseits gewährt die anderen Personen als 
den in erster Linie zur Erteilung des R. verpflich- 
teten Geistlichen bloß kirchlicherseits erteilte missiom 
nicht die Berechtigung zur Erteilung des R. an 
öffentlichen Schulen, falls es sich nicht um staat- 
lich geprüfte und qualifizierte Lehrer oder Lehr- 
amtskandidaten handelt, weil nur diese an öffent- 
lichen Schulen zugelassen werden. 
In den übrigen deutschen Staaten ruht da- 
gegen die Entscheidung über die Befähigung der 
Religionslehrer in der Hand der staatlichen Behör- 
den, welche ihrerseits für die Beschaffung derselben 
sorgen müssen. Da aber der von jenen zu erteilende 
Unterricht die kirchliche Glaubenslehre zum Gegen- 
stand hat, so hat man, weil anderenfalls das kirch- 
liche Leitungs-, Aufsichts= oder Ueberwachungs- 
recht vereitelt und keine Gewähr dafür geboten 
würde, daß die Lehrer befähigt sind, den Unter- 
richt in Uebereinstimmung mit den Lehren der 
Kirche zu erteilen, den kirchlichen Behörden eine 
Beteiligung bei den Prüfungen der Lehramts- 
kandidaten eingeräumt, nicht aber das Recht zur 
Erteilung der missio canonica zugestanden. Die 
letztere ist vielmehr für das staatliche Gebiet be- 
deutungslos. Der Staat hindert allerdings den 
Lehrer nicht an der Einholung. Wird sie ihm aber 
versagt oder später entzogen, so ist der Lehrer 
dem Staate gegenüber nicht nur berechtigt, son- 
dern auch verpflichtet, in seiner Stellung fort zu 
amtieren, und der Bischof muß, um einen un- 
tauglichen Lehrer zu entfernen, sich mit seinen 
Anträgen an die staatlichen Behörden wenden. 
Vollends kann die missio canonica niemals die 
staatliche Anstellung oder Bestätigung oder den. 
staatlichen Auftrag zur Erteilung des R. ersetzen, 
vielmehr stellt sich die letztere, wenn sie bloß auf 
Grund der missio canonica vorgenommen wird, 
nach § 132 Ste# als strafbare Anmaßung eines 
öffentlichen Amtes dar. In betreff der Forderung 
der Ablegung des tridentinischen Glaubensbekennt- 
nisses gilt rechtlich dasselbe, wie in betreff der missio 
canonica. Nur in Sachsen ist staatlicherseits 
die Ablegung eines konfessionellen Gelöbnisses 
von Staats wegen für die Religionslehrer vorge- 
schrieben. 
II. Die Geistlichen als Religions- 
lehrer. 
Nach katholischem Kirchenrecht ist der Pfarrer 
der kirchlich bestellte Religionslehrer seiner Pfarrei 
und hat daher, soweit es ihm möglich ist, auch an 
den öffentlichen Volksschulen den Religionsunter- 
richt zu erteilen, während die evangelische Kirche 
einen solchen Rechtssatz nicht kennt, aber anderer- 
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