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b) Hinsichtlich der katholischen Kirche bestimmt das Ges. vom
23. August 1876 das Nähere über die Ausübung des staatlichen
„Oberaufsichtsrechts' und 8 35 dieses Gesetzes sagt, daß die
Staatsregierung in allen durch dasselbe ihr zugewiesenen Berech-
tigungen und Obliegenheiten durch das Ministerium des Cultus
und öffentlichen Unterrichts vertreten werde. Die einzelnen Be-
stimmungen des Gesetzes betreffen hauptsächlich die kirchlichen
Verordnungen (Placet), die Straf= und Zuchtmittel der Kirche, die
Berechtigung zur Führung von Kirchenämtern, die geistlichen
Orden 2c. Hervorzuheben ist hier mit Rücksicht auf § 58 der Vll.,
daß bei Beschwerden gegen Mißbrauch der kirchlichen Straf= und
Zuchtgewalt die Staatsgewalt sich auf Prüfung und Entscheidung
vom Standpunkt des Staatsgesetzes zu beschränken hat.
Ferner sei noch eine Bemerkung über das Ordenswesen ge-
macht. § oß der Vll. sagt, daß „weder neue Klöster errichtet, noch
Jesuiten oder irgend ein anderer geistlicher Orden jemals im Lande
aufsgenommen“ werden dürfen. Das Gesetz von 1846 fügt den
allgemeinen Satz hinzu, daß „neue geistliche Einrichtungen jeder
Art, welche in irgend einer Hinsicht die staatlichen oder bürger-
lichen Verhältnisse berühren, nur mit Genehmigung der Staats-
regierung ausgeführt“ werden dürfen, daß aber die Genehmigung
nur „aus staatlichen Gründen“ versagt werden kann. Das un-
bedingte Verbot der Errichtung neuer Klöster in § 56 der Vll.
wird dadurch nicht berührt. Hinsichtlich der Orden wird § 56
der Vll. durch die Sätze ergänzt, daß Mitglieder von Orden
oder ordensähnlichen Congregationen auch als Einzelne ihre
Ordensthätigkeit innerhalb Sachsens nicht ausüben dürfen (Aus-
nahme für Frauencongregationen zur Frauen= und Kinderpflege
nach den näheren Bestimmungen des Gesetzes); — und daß geist-
liche Brüderschaften, welche mit Orden oder ordensähnlichen
Congregationen in Verbindung stehen, nicht errichtet werden
dürfen.
Die Frage nach der Wirkung des Reichsjesuitengesetzes auf
§ 56 der Ull. ist durch Art. 2 der Reichsverfassung beantwortet,
nach welchem die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen; auf-
gehoben wurde also § 56 der Sächs. Vll. durch das Reichsgesetz
nicht; das letztere geht jenem aber vor, so lange es besteht.