§ 13. Die zeitweilige Stellvertretung. 59
Lehrer und die Festsetzung des Erziehungsplanes nur unter Rücksprache mit dem Vormund-
schaftsrathe geschehen. Dieser wird aus den Mitgliedern des Geheimen Rathes unter dem
Vorsitze des Reichsverwesers gebildet, welcher letztere bei den zu fassenden Beschlüssen eine
mitzuzählende und außerdem im Falle der Stimmengleichheit eine entscheidende Stimme
hat. Dem Vormundschaftsrathe steht überhaupt „bei einer Verschiedenheit der Ansichten“
— worunter namentlich Differenzen zwischen dem Reichsverweser und der Mutter bezw.
Großmutter zu verstehen sein dürften — die Entscheidung zu. Auch liegt demselben, wenn
weder Mutter noch Großmutter vorhanden sind, die Sorge für die Erziehung des minder-
jährigen Königs allein ob. V. U. § 16 ¹).
4. Die Kosten der Reichsverwesung. Die Kosten der Hofhaltung des Reichsver-
wesers werden aus den Mitteln der Civilliste bestritten, aus welcher wegen ihrer eigentlichen
Zweckbestimmung „zur Bestreitung der Bedürfnisse des Königs“, V. U. § 104, selbstver-
ständlich auch die Kosten des Unterhaltes des Königs zu decken sind. Letzterem bleiben
auch die Einkünfte des Familienfideikommisses und seines Privatvermögens reservirt. Seine
persönlichen Bedürfnisse, einschließlich der Kosten des Unterhaltes seiner Familie hat der
Reichsverweser aus seiner Apanage oder Sustentation zu bezahlen, welche ihm für die
Dauer der Regentschaft ebendeshalb auf den Betrag der einem Kronprinzen gebührenden
Sustentation für sich und seine Gemahlin erhöht wird ²).
§ 13. II. Die zeitweilige Stellvertretung. Ueber die vorübergehende Vertretung des
Königs bei Verhinderung desselben durch Krankheit, oder Reisen außer Landes enthält
weder die Verfassung, noch die Gesetzgebung des Landes eine Bestimmungs ³); wohl aber hat
sich allmählich hierüber eine Uebung entwickelt. Hiernach bedarf es zu einer solchen Ver-
tretung:
1. eines speziellen Auftrags des Königs, welcher voraussetzt, daß der König noch
handlungsfähig ist. Die Ertheilung des Auftrages erfordert, wie jeder andere Regierungs-
akt, die Kontrasignatur eines Ministers. Der König kann den Auftrag jederzeit widerrufen
oder beschränken.
2. In der Wahl der Person des Vertreters ist der König von Rechts wegen nicht
beschränkt. Die Uebung hat in dieser Beziehung seit der Verfassung von 1819 wiederholt
gewechselt. Früher wurde der Ministerrath, zuweilen auch mit Beiziehung des Geheimeraths-
Präsidenten, später das Staatsministerium (bald allein, bald unter dem Vorsitze des Thron-
folgers), im Juli 1848 und später ⁴) auch der Thronfolger allein mit der Stellvertretung
beauftragt.
3. Die Befugnisse des Stellvertreters bestimmen sich nach der ihm ertheilten Voll-
macht; nur können dem Stellvertreter selbstverständlich diejenigen Befugnisse, welche nach
der Verfassung selbst der Reichsverweser nicht ausüben kann, nicht übertragen werden ⁵).
Eine Veröffentlichung der dem Stellvertreter übertragenen Befugnisse, bezw. der dem König
vorbehaltenen Sachen findet nicht statt ⁶).
1) Vgl. auch Mohl, I S. 303 ff.
2) V. U. § 106 u. Hausges. v. 1828 Art. 36 u. Mohl, I S. 305 ff.
3) Vgl. über diese Frage Mohl, I S. 307 ff. und die über das Königl. Decret v. 27. März
1864 gepflogenen Verhandl. der Abg.-Kammer 1862/65, I B.B. S. 2462—2477 und Prot. B. V.
S. 3392ff., ferner Mittnacht in der Cotta'schen Vierteljahrschr. 1864, H. II S. 222f., Kirchen-
heim u. Hancke, a. a. O.; dagegen wird die Zulässigkeit eines Auftrages geläugnet von Fricker,
a. a. O. S. 266. G. Meyer, St. R. § 93.
4) Am 9. Nov. 1883 wurde der dem Throne nächststehende Prinz mit der Erledigung der
Geschäfte „auf den Vortrag der Minister im Vollmachtsnamen des Königs" beauftragt; eine Ver-
öffentlichung erfolgte bisher nur im Staatsanzeiger, nicht im Gesetzblatt.
5) Vgl. auch Mohl a. a. O. S. 368.
6) In der Veröffentlichung vom 9. Nov. 1883 ist in dieser Beziehung nur bemerkt, daß