263
die Voruntersuchung, und in dem Falle
Ziffet 6. zur Aburtheilung zu verweisen.
Art. 70.
Wenn ein Amtsverbrechen zur Anzeige
kommt, so muß vor Vernehmung des Ver-
daͤchtigen die vorgesetzte Amtsbehoͤrde des-
selben, und wenn er mehreren Stellen un-
terworfen ist, diesenige, in deren Geschäfts-
kreis das angezeigte Verbrechen einschläge,
von dem Untersuchungsrichter veranlaßt wer-
den, sich über den erhobenen Verdache zu
dußern.
Im Uebrigen wird mit der Vorunter-
suchung von dem ordentlichen Untersuchungs-
richter wie bei anderen Personen verfahren.
Att. 71.
Wenn sich gegen einen Staatsbeam=
ten oder öffentlichen Diener Verdacht we-
gen eines gemeinen Verbrechens oder Ver-
gehens ergibr, so hat der Untersuchungs-
richter die vorgesetzte Amtsbehörde des Ver-
dächtigen ungesäumt davon in Kenntniß zu
sehen.
Eben so ist derselben, sobald gegen el-
nen Staatsbeamten oder öffentlichen Die-
ner wegen eines gemeinen oder eines Amts-
verbrechens oder Vergehens die Anklage oder
die Verweisung in die öffentliche Sißung
des Kreic= und Sctadtgerichtes erkannt wird,
Nachricht daven zu ertheilen.
Art. 72.
Dem Staaterathe steht die Verfügung
264
auf eine wegen eines Amesverbrechens ge-
führee Voruntersuchung unter derjenigen Vor-
aussetzung zu, unter welcher er bisher (Arc.
434. Theil II. des Strafgesehbuches und
16. der Beilage IX. zur Verfassungs=
Urkunde) zu entscheiden hatte, ob der Be-
schuldigte vor Geriche gestellt werden solle.
In einem solchen Falle muß der Be-
schuldigte vor der Beschlußfassung im Staats-
rathe zu seiner vorldufigen schriftlichen Ver-
antwortung aufgefordert werden, zu deren
Abgabe ihm eine unerstreckbare Frist von
höchstens acht Tagen vorzusetzen ist.
Art. 73.
Gegen den von dem Scaatsrathe ge-
saßten Beschluß (Art. 7 2.) findet kein Rechts-
mittef statt.
Art. 74.
Bei Vergehen kann eine gerichtliche
Voruntersuchung unter der Voraussetzung
unterlassen werden, daß der Staatsanwalt
dem Kreis= und Sctadtgerichte, oder, wenn
es sich um ein Preßvergehen handelt, dem
Appellationsgerichte eine Anzeige vorlegt,
welche zur Begründung eines erheblichen
Verdachtes geeigner ist und eine hinreichende
Bezelchnung der Beweiemittel enthält.
In einem solchen Falle kann auf An-
trag des Staatsanwaltes der Verdächtige
sogleich zur öffentlichen Verhandlung vor-
geladen werden.