als wir noch getrennt lebten, als wir nur Parteien
waren, kein Dolk. Einer kannte da den anderen nicht,
weil keiner sich selber kannte. In unheiligen Wünschen
hatte jeder seinen wahren Willen vergessen. Jetzt hat
jeder seinen Willen wiedergefunden, da zeigt sich's:
alle haben nur einen. In allen deutschen herzen schlägt
jetzt derselbe heilige Sorn. Ein heiliger Sorn, ein heili-
gender Sorn, ein heilender Sorn. Alle deutschen Wun-
den schließen sich. Wir sind genesen. Gelobt sei dieser
Rrieg, der uns am ersten Tag von allen deutschen Erb-
übeln erlöst hat! Und wenn dann erst wieder Sriede
sein wird, dann wollen wir es uns aber auch verdienen,
diesen heiligen deutschen Krieg erlebt zu haben. Dann
soll kein Wort mehr gesagt, keine Tat mehr getan wer-
den auf deutscher Erde, die nicht würdig wären dieser
erhabenen Stunden.
An der Ecke stehen Gruppen vor den letzten Nach-
richten. Dann zählt einer laut auf, wieviel §einde wir
haben; jetzt sind's schon ihrer sechs. Dann wird's eine
Jeit still. ber dann sagt einer: viel Seind, viel Ehr,
und siegen werden wir, denn unsere Sache ist gerecht!
SRf kann man es jetzt jeden Tag hören. Das ist der
deutsche Glaube: nicht Menschenmacht entscheidet,
sondern Gottes Gerechtigkeit! Es ist der Segen dieser
großen Seit, daß wir wieder auf den Geist vertrauen
lernen. Wir heutigen Deutschen sind niemals einer
so rein geistigen Existenz teilhaftig gewesen als jetzt,
da uns das deutsche Wesen erschienen ist.
Bayreuth, 12. Kugust.
Hermann Bahr.
76