296 Die Zeit von 1888 bis 1893.
nahe. Wenige Monate vorher hatte der König noch zusammen
mit der Königin der Einsegnung seiner vorstorbenen Gemahlin
beigewohnt. Ende des Jahres starb der Minister von Gerber,
wiederum ein herber Verlust für den König. An seiner Stelle
ernannte er den Geheimrat von Seydewitz zum Kultus-
minister.
Um die Jahreswende 1891/92 wurden wir alle, mit uns
der König, von bängster Sorge erfüllt. Mein Vater erkrankte
in der Nacht zum 30. Dezember an einem schweren Darm-
leiden, das das Außerste befürchten ließ. Der König, der an
dem einzigen Bruder sehr hing, war auf das tiesste er-
schüttert. Als wir ihn am Neujahrstag früh trafen, fiel es
keinem von uns ein, ihm wie sonst die herzlichsten und
innigsten GElückwünsche auszusprechen. Meine Schwester
Maria JFosepha und mein Schwager Otto kamen an dem
Worgen an. Der Aeujahrstag verging in der bängsten Sorge.
Erst gegen Abend des 2. trat die entscheidende Wendung zum
Besseren ein.
Zu Kaisers Geburtstag reiste der König wie üblich nach
Berlin. Anfang Februar weilte er in Leipzig und nahm
verschiedene Besichtigungen vor. Ich war damals noch
Student in Leipzig und machte einige der Festlichkeiten mit.
Am 3. April ernannte der König den Fürsten Reuß Hein-
rich XIV. zum Chef des 2. Jägerbataillons Ar. 13. Die Köni-
gin reiste am 21##. März nach Mentone, woselbst sie im Hotel
d'Italie Wohnung nahm. Der König folgte ihr am 5. April
nach. Von da schrieb er meinem Vater am 13. April: „Meine
Reise hierher verlief ganz glatt. Carola traf ich in San
NRemo, wohin sie mir entgegengefahren war. Ich fand sie
wesentlich beßer als zu Hause, wenn sie auch noch leicht über
Wüdigkeit klagt. Appetit und Schlaf laßen nichts zu wün-
schen übrig. Hier sahen wir Wales, Kaiserin Eugenie und
Georg von Meiningen. Alle ziehn bald fort.“ Das Wieder-
sehen mit der Kaiserin Eugenie muß ein eigenes gewesen sein.
Ein Brief vom 16. zeigt, wie er für seine Armee und be-