Full text: Geschichte des Preußischen Staates

Das Heer. 279 
für die Waffen geboren seien, mit voller Klarheit ausgesprochen, nur ein kleiner 
Bruchteil der Gebildeten davon ausgeschlossen. Das Land wurde in Kantone 
geteilt, und etwa je 5000 Feuerstellen einem Infanterie-Regiment, je 1800 einem 
Kavallerie-Regiment zur Rekrutierung überwiesen. an „enrollierte“ in den 
Städten, auf den gutsherrlichen und Amtsdörfern die jungen Leute des Kantons, 
hob die erforderliche Anzahl jährlich aus und beurlaubte die Ausgebildeten wieder 
zu ihrem bürgerlichen Erwerb. Hierdurch und durch die Quartiergeber, bei denen 
die Soldaten wohnten, kam das Heer und Volk in die nächste Berührung und 
Interessengemeinschaft. Die rote Binde aber und der Püschel an der Mütze, den 
die zum Heeresdienst Eingetragenen trugen, wurden recht ein Zeichen, wie Armee 
und Volk mit einander verwuchs, der echte Stolz des Bauernsohnes. Ja es 
kam vor, daß ein Schulmeister einen Obersten bat, ihn in die Stammrollen ein- 
zutragen und als Korporal zu beurlauben, da er anders mit den schon einge- 
tragenen Bauernlümmeln nicht fertig werden könne. 
Dieses allmähliche Hineinwachsen des Volkes in das Heer ist gegenüber der 
oft gescholtenen Strenge in demselben überhaupt von dem allergrößten wirtschaft- 
lichen Segen gewesen. Eine völlig neue Lebensanschauung brachte der gediente 
Bauernsohn nach der Erfüllung der Dienstpflicht mit in die Heimat, er hatte etliche 
Grundbegriffe der Bildung in sich aufgenommen, war an Sauberkeit, Pünktlichkeit 
gewöhnt worden, er hatte andere, vielfach bessere Sitten kennen gelernt und, was 
besonders bedeutungsvoll wurde, er war dem Gerichtsstand der Gutsherren ent- 
zogen, denn er unterstand dem Gericht des landesherrlichen Anditeurs, und nicht der 
Gutsherr, sondern das königliche Regiment d. h. eine staatliche Behörde erteilte 
ihm die Erlaubnis zum Heiraten. Damit wurde die Hörigkeit thatsächlich zerrissen, 
und aus dem Bauer konnte so allmählich ein freier Mann werden. 
Noch bedeutender aber war der Einfluß der Armee auf den Adel. Er er- 
hielt durch die Armee eine völlig neue Grundlage und wurde von dem zu einem 
großen Teil dürftigen und elenden Leben, das er bisher geführt, befreit. Ebenso 
wurde der bisherige Gegensatz zwischen dem rittermäßigen Teil der Stände und 
dem Landesherrn thatsächlich aufgehoben. Als der König es unternahm, die 
Stellung des Ritterpferdes, zu dem der Adel in den Reichsländern des Königs 
verpflichtet war, in eine jährliche Abgabe von 40 Thalern zu verwandeln, erhob 
sich freilich, wie erwähnt, ein Sturm der Entrüstung namentlich in dem alt- 
märkischen und magdeburgischen Adel; selbst vor Konspirationen und Klagen beim 
Reichshofrat in Wien schreckte man nicht zurück, und im benachbarten Hannover 
und Mecklenburg fand man die Unterstützung der Gesinnungsgenossen, in Wien 
die ausgiebigste Förderung. Aber der König drang durch. Freilich, das Ein- 
ziehen der jungen Söhne des Adels zum Kadettencorps, das der König statt 
der zwei kleinen in Colberg und Magdeburg in Berlin errichtete, kostete anfangs 
in nicht seltenen Fällen beinahe Anwendung von Gewalt; aber schon 1722 
zählte man 300 Kadetten, und bald ward es in immer höherem Maße Sitte 
für den Adel, im Lerre. des Königs zu dienen. Wenn der Offizier des dreißig- 
jährigen Krieges, von der Pike auf dienend und ohne Rücksicht auf seine Ver- 
gangenheit befördert, immer etwas vom „Räuberhauptmann“ an sich hatte, und 
auch zur Zeit König Friedrichs I. sich wieder unsaubere Elemente in den Offiziers- 
stand beingenistet hatten, so wurden diese ieht völlig ausgemerzt und nur Leute 
von Ehre und untadeligen Sitten, adelige wie auch bürgerliche, aufgenommen.
	        
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