Full text: Geschichte des Preußischen Staates

Der Dualismus zwischen Preußen und Oesterreich. 391 
Notwehr hatte er den bingeworsenen Handschuh aufgenommen, die Pflicht hatte 
ihm die Kraft gegeben, den Kampf auszuhalten und den Staat zu retten. Ein- 
sam wie der Fels im Meer, so hatte er gestanden, und wild aufgepeitscht waren um 
ihn die Wellen in heftiger Brandung zusammengeschlagen. Aber ohnmächtig waren 
sie, statt unter ihm den Boden zu unterhöhlen, an ihm abgeprallt. Ja der 
Kampf, der ihn vernichten sollte, hatte seinen Staat unendlich gehoben. Mehr 
ist es als eine landläufige Redewendung, wenn gesagt ist, Preußen war mit dem 
Hubertusburger Frieden endgültig in die Reihe der Großmächte getreten. Friedens- 
schlüsse bezeichnen ja nicht nur das Ende eines Zeitraumes, sondern zugleich den 
Anfang eines neuen. Riesengroß war der Staat gewachsen; einst hatte man ihn 
verachten zu dürfen, über ihn verfügen zu können geglaubt. Nun hatte er den 
Mächten, die seine Erhebung nicht hatten ertragen wollen, seinen Willen aufgezwungen, 
er war als gleichberechtigte, als mitbestimmende Macht nicht nur unter sie ge- 
treten, er hatte sie auch genötigt, als solche ihn gelten zu lassen. Das ganze 
Staatensystem Europas war ein anderes geworden, und das heilige römische 
Reich zeigte wenn nicht ein ganz anderes Gesicht, so doch unverkennbar andere Züge. 
Freilich der Kaiserpurpur war in der Hofburg zurückgeblieben, aber schon war er, wie 
die bayerische Kunstpause * hatte, nicht nur zerschlissen, sondern wirklich zerfetzt, 
und nie haben die blind und farblos gewordenen Steine des kaiserlichen Diadems 
für Friedrichs Augen einen Reiz gehabt. Man hat wohl gesagt, die schlesischen 
Kriege haben den Dualismus in Deutschland, den Gegensatz zwischen Oesterreich 
und Preußen geschaffen, zutreffender aber möchte die Behauptung sein, daß sie ihn 
mr dokumentiert, ihn äußerlich klar gelegt haben. Wenn nun einmal eine einheitliche 
Reichsgewalt zu schaffen unmöglich gewesen war und die Kaiserkrone bei einer 
Territorialmacht ruhen mußte, die aus einem bunten Gemenge fremder Nationalitäten 
ic, zusammensetzte, die lediglich zu ihren Gunsten die kaiserliche Gewalt mißbrauchte 
und die kleineren, die kleinen und kleinsten Stände des Reiches durch Prozesse über 
ein armseliges Mein und Dein, durch Einmischung in ihre fast durchgängig jammer- 
vollen Finanzen, durch den Unkenruf der angeblich gefährdeten, allein seligmachenden 
römischen Kirche oder wodurch sonst knechtete, tyrannisierte, an sich fesselte — dann 
war für die deutschen Fürsten die volle Darlegung des österreichisch-preußischen Gegen- 
satzes ohne Zweifel von großer Bedeutung. Jetzt war einer ihrer Mitstände so 
mächtig, daß sie, wenn ihnen von Wien aus Gewalt angethan werden sollte, eine 
Zuflucht hatten, die sie ohne Furcht vor dem Grollen, vor dem strafenden Angesicht 
des höchsten Richters in Wien aufsuchen konnten. Nicht lange, und die Zeit sollte 
erscheinen, wo sie mit einem herzlichen Gott sei Dank! es begrüßten, sich unter die 
preußischen Fahnen rekten zu können. Und welch ein Segen des Dualismus, d. h. der 
Ebenbürtigkeit Preußens mit Oesterreich war es, daß nun auch im Rate Europas 
eine rein deutsche Stimme nicht allein gehört werden konnte, sondern auch gehört 
werden mußte. Die Lüge, als sei der von Oesterreich in diesem Areopag vertretene 
Wille — weil ja der Herrscher dieses vielgestaltigen Ländergemischs auch Oberhaupt 
des Reiches — zugleich der Wille der deutschen Fürsten, war nun aufgedeckt. 
Immerhin aber war unter den großen Mächten — Holland war durch Eng- 
land inzwischen verdrängt — Preußen mit seinen vier bis fünf Millionen Ein- 
wohnern noch bei weitem der kleinste Staat, und weniger auf dem Umfang als 
auf dem persönlichen Ansehen des Königs beruhte das Gewicht seiner Stellung. 
Denn ohne Zweifel, nur die Person des Königs, seine Kraft, seine Arbeit, seine
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.