Preußisch-russisches Bündnis. 393
König Augusts nicht einen Prinzen aus einem regierenden Hause, sondern einen
Piasten zum König erheben zu sehen, entsprachen sie dem preußischen Interesse,
dem namentlich die Wahl eines sächsischen Prinzen durchaus zuwider war. Unter
der Bedingung der Befestigung seiner eigenen Macht und der Erhaltung des
deutschen Bezirks in Polen konnte Preußen daher Rußland zunächst seinen Weg
gehen lassen. Rußland andererseits, ohnehin müde, wie bisher „am Seile Oester-
reichs den Hund gespielt zu haben“, konnte nur im Verein mit diesem Staate
auf einen Erfolg seiner polnischen Absichten rechnen, denn Oesterreich war gewiß
nicht gewillt, ihre Verwirklichung zuzulassen, mußte ihnen vielmehr aller Er-
wartung nach selbst mit Gewalt entgegenwirken.
So wurde schon 1764 ein preußisch-russischer Bund geschlossen, der, nachdem
Katharinas einstiger Liebhaber, Stanislaus Poniatowsky, zum König gewählt, aber
trotz der hinter ihm stehenden russischen Waffen nicht im stande gewesen war, die
polnischen Zustände irgendwie zu befestigen, am 4. Mai 1767 erneuert wurde. u7
Friedrich verpflichtete sich, einen Angriff Oesterreichs auf die russischen Truppen
in Polen mit einem Kriege gegen Oesterreich zu erwidern, Rußland aber versprach
ihm seinen vollen Beistand. Ein doppeltes Ziel war erreicht. Dem Einfluß
Katharinas in Warschau war eine gewisse Schranke gezogen und einer etwaigen
kriegerischen Neigung Oesterreichs ein Riegel vorgeschoben, ja dieses zu einer An-
näherung an Preußen veranlaßt. Denn als nun in Polen der Parteienstreit der
Dissidenten und Konföderierten zum Bürgerkriege ausschlug, als russische Gewalt-
thätigkeiten auf türkischem Gebiet, wohin Truppen der Konföderierten vor den
Russen geflohen waren, einen furchtbaren Kampf zwischen Rußland und der Pforte
entzündet hatten, da schien ein neuer allgemeiner Krieg vor der Thür zu stehen.
Unter solchen Umständen glaubte doch selbst der österreichische Reichskanzler
Kaunitz, Preußen entgegenkommen zu sollen. Er glaubte sogar wirklich, jetzt
im Frieden die österreichischen Mißerfolge des siebenjährigen Krieges aus-
wetzen zu können. Er meinte in der That dem polnischen Reich die Abtretung
hroßer Gebiete an Preußen zumuten zu dürfen, wofür dieses dann die Gefälligkeit
haben werde, Schlesien an Oesterreich zurückzugeben. Zwei Voraussetzungen lagen
den Plänen Kaunitzens zu Grunde. Die eine, daß Preußen, in dessen Interesse die
Ausdehnung der russischen Macht nicht liegen könne, bereit sei, das Bündnis mit
Rußland zu brechen, die zweite, daß eben darum Friedrich jede Erneuerung der
guten Beziehungen mit Oesterreich willkommen heißen werde. Nur die zweite traf
zu. Die Wiederherstellung des Friedens war Friedrichs Ziel, aber gewiß nicht
unter der Bedingung des Bruches seiner Verpflichtungen gegen Rußland. Diese
voll zu erfüllen, war vielmehr durch die Versuche Englands, ihm in Petersburg
den Rang abzulaufen, für Friedrich ein Gebot der Notwendigkeit. Die eigene
Erschöpfung Oesterreichs aber, sowie die Aussichtslosigkeit, von Frankreich wirkliche
Hilfe zu erlangen, machten eine friedliche Lösung auch für Oesterreich notwendig.
Mit dem russisch-türkischen Kriege war die orientalische Frage aufgetaucht,
die Frage, ob Rußland oder ob Oesterreich am Bosporus die herrschende Stellung
haben werde. Und unter der Wucht der russischen Siege, in der Furcht einer
Vereinigung der russischen und englischen Segel im Schwarzen Meere, wie in der
Gewißheit, von Frankreich nichts hoffen zu dürfen, sah das Haus Habsburg sich
wieder einmal allein auf Preußen angewiesen. So kam es jetzt zu einer perfön-
lichen Zusammenkunft des jungen, im Jahre 1765 gewählten Kaiser Joseph mit