Full text: Geschichte des Preußischen Staates

Staat und Volk. 40 
den Leiden zu erliegen, und was der Feind im Schlachtengetümmel nicht vermocht 
hatte, das schien die Geißel der Verwüstung, die brennende Vernichtungsfackel 
seiner losgelassenen barbarischen Horden erreicht zu haben. Wahrlich, ein anderer 
wohl hätte die Hände sinken lassen; für Friedrich aber war die Notwendigkeit, 
von vorn wieder anzufangen und die zertretene Pflanzung seines Vaters, seiner 
Vorfahren wieder aufzurichten, nur der Sporn zur wunderbarsten Thätigkeit. 
Er füllte das Skelett, zu dem der Staat abgemagert, wieder aus, er führte dem 
vom Blute entleerten Körper wieder neues Leben zu und setzte es in frischen Umlauf. 
Man galt als Großmacht, man mußte es aber auch sein. Und das nicht 
nur um des Ehrgeizes willen an sich, sondern weil diese Stellung den Unter- 
thanen ganz andere Mittel und Wege angab, ihr Leben auszugestalten, als es 
in kleinen und beschränkteren Verhältnissen möglich war, weil das Zusammen- 
arbeiten aller Glieder des ganzen Staates das Wohlsein des einzelnen begründete. 
Jedes Herabsteigen von der erreichten Höhe mußte allmählich zum staatlichen wie 
wirtschaftlichen Verfall führen, während die Behauptung der gewonnenen Höhe 
zur Entdeckung weiterer Quellen führen mußte, so daß das wirtschaftliche Leben 
in immer breiterem Strome dahinfließen konnte. Doch selbst jetzt noch war die 
Bevölkerung nicht so weit, dies zu erkennen, und unsagbar hatte der König mit 
der Beschränktheit zu kämpfen, die über den gewohnten Ideenkreis nicht hinaus- 
blicken wollte. Der philisterhafte Sinn, der vom Himmel nicht mehr sehen 
mochte, als sein Fensterausguck ihm zeigte, mußte gebrochen, ihm die Vorteile 
der Grund, warum Preußen ein Großstaat sein wollte, klar gemacht werden. 
Denn, wie Friedrich in einem neuen politischen Testament 1768 für seine Nach- 
kommen von den Preußen schreibt, „diese Nation ist schwerfällig und faul. Gegen 
zwei Fehler muß man beständig ankämpfen. Die Menschen bewegen sich, wenn 
man sie antreibt und halten still, wenn man einen Augenblick aufhört, sie zu 
stoßen, jedermann erachtet nur die Gebräuche der Väter für gut. Man liest 
wenig; man hat keine Lust, sich zu unterrichten, wie man ekwas anders machen 
kann, so daß alle Neuerungen sie erschrecken und von mir, der ich ihnen immer 
nur gutes gethan, denken sie, daß ich ihnen das Messer an die Kehle setzen will, 
sobald es sich darum handelt, eine nützliche Verbesserung oder irgend eine Aen- 
derung einzuführen. Ich habe mich in solchen Fällen auf meine redlichen Ab- 
sichten und mein gutes Gewissen verlassen, sowie auf die Kenntnisse, die ich mir 
verschafft habe und bin ruhig meines Weges gegangen“. Man erkennt, wie der 
König das Volk, für welches der Staat da ist, noch immer erziehen, gleichsam 
erst schaffen mußte, um den Segen, den der Staat ihm gewährte, zu erkennen. 
Zunächst galt es, der dringendsten Not des Augenblickes zu genügen, und 
mit baren Zuschüssen, mit unentgeltlicher Lieferung von Saatkorn, mit Schenkung 
von Pferden zum Ackerbau, Darreichung von Baukosten, mit Steuererlassen, ist der 
König sofort eingetreten. Aus dem Heer entließ er sogar 30 000 Inländer, um den 
Acker zu bestellen. Im ganzen verteilte er, wie er selbst berechnet, 25 000 Wispel 
Mehl, Korn und Gerste, 17 000 Wispel Hafer und 35.000 Militärpferde. Er 
schenkte der Provinz Schlesien drei Millionen, der Neumark und Pommern je 
1 400 000, Brandenburg 700 000, Cleve 100 000, Ostpreußen 800 000 Thaler, 
und zur Rückzahlung der für die Kriegskontributionen ausgenommenen Darlehen und 
zur Unterstützung gab er im ganzen zwanzig Millionen Thaler hin. Allerdings 
mag von dieser Summe ein Teil erst etwas später bezahlt worden sein, den bei 
26°
	        
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