Full text: Geschichte des Preußischen Staates

738 Sozial-Gesetzgebung. 
anders werde. Daher muß der König zu Zeiten in die Bresche treten, wenn er 
Fehler bei dem neugeschaffenen Staatskörper sieht.“ Mit voller Energie hob 
auch jetzt der Mllerhchst Erlaß es hervor, daß die Regierungsakte nicht von 
den verantwortlichen Ministern ausgingen, sondern daß sie die eigene, durch die 
Gegenzeichnung der Minister nur zum verfassungsmäßigen Ausdruck kommende 
Willensmeinung des Monarchen sei, der die Politik seiner Regierung persönlich 
leite. Dies Recht der persönlichen Bestimmung, die volle Freiheit, nach eigenem 
Ermessen Gesetz-Entwürfe vorzulegen, die von den Parlamenten gefaßten Be- 
schlüsse zu Gesetzen zu erheben oder abzulehnen, behielt Kaiser Wilhelm, wahrte er 
klar und scharf sich und seinen Nachfolgern, lehnte alle Versuche, eine Parlaments- 
Fchierung zu schaffen, unzweideutig ab. Und damit bewegte er sich nicht nur auf 
dem Boden der Verfassung, sondern gab dieser erst ein kräftiges Leben, den vollen 
Inhalt und den Nachweis, daß, wenn auch die juristische Verantwortlichkeit von 
den Ministern getragen wird, der Fels, auf dem Preußen ruht, doch die moralische 
Verantwortung des Herrschers vor Gott und seinem Gewissen ist. 
o war denn der Boden bereitet, auf welchem die neue soziale Gesetzgebung 
erwachsen konnte, mit der Deutschland allen anderen Staaten voran eilte, und die 
dem Arbeiter gegen Krankheit und gewerbliche Unfälle einen rechtlichen Anspruch 
auf eine Rente gab, die auf Beiträgen beruhte, die nicht nur er selbst trug, 
sondern zu der der Arbeitgeber in gleicher Höhe, sowie auch das Reich durch die 
freie Verwaltung seitens der Reichspost erheblich beisteuert, und die, auf 
Berufsgenossenschaften beruhend, von ihren eigenen Berufsgenossen mit bestimmt 
wird. Das Bewußtsein, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften des 
inneren Friedens und den Hilfsbedürftigen größere Sicherheit des Beistandes, 
auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen, wollte der Kaiser mit in die Gruft 
nehmen, und wenn wir uns einer Verfassung erfreuen, die der Nation einen 
großen Anteil an der Gesetzgebung wie an der Verwaltung gewährt, doch aber 
der Krone die volle entscheidende Gewalt giebt, und wenn die gesamte staatliche 
Verfassung von der sittlichen Ueberzeugung der Unterthanen als eine Kraft und 
Segen verbürgende getragen wird, so durfte nunmehr der Kaiser die weitere 
1Ueberzengung haben, daß er den Grundstein auch zur neuen sozialen Ausgestaltung 
der Gesellschaft gelegt, einen Grundstein, auf dem seine Nachfolger fortzubauen 
vermöchten. 
Denn nun, da neben dem preußischen auch der Reichsadler auf dem 
Hohenzollernthron horstete, fühlte die Nation, welche Riesenkräfte sie hatte, nun 
fühlte Europa, daß Deutschland das Herz der Welt, und die Hauptstadt des 
Kaisers wurde, wie das Ausland eingestand, für alle Fürsten, für alle Staats- 
männer und Generale, für alle Völker das, was einst Mekka den Gläubigen, was 
Rom der katholischen Welt gewesen. Der Mittelpunkt aller aber, um den sich 
Preußen, Deutsche, um den sich alle Völker in ehrfürchtiger Liebe sammelten, 
war und blieb der Kaiser. Alle die herrlichen Gaben seines Hauses lebten zu- 
sammen in ihm, und welche Tugenden auch von Geschlecht zu Geschlecht in seinem 
Hause sich entwickelt zttn er war ihr Träger, er war die lebendige Verkörperung 
der sittlichen Idee, der Pflichterkenntnis und der Pflichttreue der Hohenzollern. 
Und wie von ihm aus diese Pslichttreue sich verbreitete, so ward ihm auch die 
Liebe seines Volkes in einem Maße zu teil, wie zuvor nie einem Herrscher. 
Welch frohe Tage für den Kaiser, als sein ältester Enkel Prinz Wilhelm
	        
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