Full text: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten. 1835. (26)

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und die Lymphe aus diesen wahren Kuhpocken dann wieder zu Impfungen mehr, als es bisher 
geschehen, benutzt werde. Der Erfolg aller dieser Veranstaltungen ist nun begreiflicherwelse bis jetzt 
noch nicht als durchaus feststehend zu betrachten und wird sich mit Sicherheit erst in der Zukunfe 
nachweisen lassen. Was indessen den der Revaccination anbelangt, so ist burch eine mehrjährige 
Erfahrung im Militair bis setzt wenigstens so viel festgestellt worken, daß mindestens # der vakzinirten 
Mannschaften sich für das Kuhpockengist wieder vollkommen empfanglich Geseig- hat, und daß böurch 
diese Revaccination an Orten, wo die Menschenpocken grassirten, die Gefahr des Erkrankens von 
den betreffenden Individuen in der Regel ganz abgewendet worden, oder boch die Krankheit in den 
wenigen Fällen, wo sie trotz dem ausbrach, in ihrer Heftigkeit sehr gemilbert erschienen ist. 
Mag sich nun in der Folge ergeben, daß durch gewisse Maaßregeln, namentlich ein bestimmtes 
Verfahren bei der Vaccinalion oder cine öftere Erneucrung der ursprünglichen Kuhpockenmaterie ober 
eine einmalige Revaccinalion, ein Schutz gegen die Menschenpocken fur die ganze übrige Lebenszeie 
oder daß derselbe doch immer nur für eine gewisse Reihe von Jahren erlangt werden kann: so wir5 
sedenfalls der hohe Werth der Schutzblaktern-Impfung dadurch nicht aufgehoben, dieser vielmehr selbst 
alsdann dankbar anerkannt werden müssen, wenn die Vaccination das, was man anfänglich hoffte 
nicht in vollem Umfange leisten und nicht sowohl ein Vernichtungs-, als vielmehr nur das mächtigste 
Beschränkungs= und Milderungsmittel der Blatternseuche seyn sollte. Das sie aber dieses ist, hat 
die Erfahrung, selbst in der neuesten Zeit, nach Obigem unumstößlich erwlesen, und erwägt man nun 
vollends, welch ein einfaches, gelindes und unschädliches Mittel es ist, wodurch wir eine der furche- 
barsten und tödtlichsten Krankheiten, entweder ganz und gar oder doch für eine sehr geraume Zeie 
(namentlich die des zarteren Kindesalters) und mindestens ihre lebensgefährliche Form von uns 
abhalten, so erscheint jedes weitere, heimliche oder öffentliche Ankämpfen gegen die Schutzblattern- 
Impfung eben so thöricht als strasbar. 
46. Als das sicherste Schutzmittel gegen die Menschenpocken ergiebt sich bemnach aus 
Vorstehendem: Die Vaccinalion mittelst einer, in Ermangelung achter Kuhpockenlymphe wo möglich 
frisch aus der vollkommenen Schutzblatterpustel eines 7 Tage zuvor geimpften möglichst gesunden (am 
besten: kindlichen) Individui entnommenen noch klaren ymphe. Es kann diese Impfung, wenn niche 
besondere Krankheitsverhältnisse es verbieten, schon in den ersten Lebensmonaten ohne Gefahr an 
Kindern vollzogen werden, und haben deren Angehörige sich dieserhalb nur an den ihnen zunächst 
stehenden approbirten Arzt ober Wundarzt zu wenden, oder diesenigen Beförderungsmittel der Schut- 
Pocken-Impfung zu benutzen, welche ihnen noch außerdem so bereitwillig und kostenfrei von Seiten der 
Behörden in Königlichen Impf-Instituten, bei öffentlichen Gesammt-Impfungen c. 2c. dargeboten wer- 
den. — Die bei solcher Gelegenheit ihnen wegen gehöriger Abwartung der Geimpften gegebenen 
Rathschläge haben sie sorgfältig zu befolgen und besonders darauf zu achten, daß nicht etwa die 
Pocken durch Abscheuern, Kratzen und dergleichen in ihrem regelmäßigen Verlaufe gestört und dadurch 
der beabsichtigte Jweck verfehlt werde. 
Ohne zureichende, von Sachverständigen anerkannte Hinderungsgründe darf das erste Lebens- 
sahr der Kinder nicht vorübergehen, ohne daß deren Angehörige sie dieses Schutzes gegen die Blat- 
tern haben theilhaftig werden lassen; wo aber letztere grassiren, ist eine Beeilung der Impfung vollends 
erforderlich. Eben so werden, namentlich zu solchen Zeiten, alle Familienhäupter wohl thun, sich die 
Ueberzeugung zu verschaffen, daß auch sämmtliche, zu ihrem Hausstande gehörigen erwachsenen Per- 
sonen geimpft sepen, um sic evenl. dazu anzuhalten. 
Desgleichen geht aus §. 45. hervor, wie unter Umständen und namentlich, wenn seit der 
ersten Vaccination bereits ein längerer Zeitraum von etwa 10—15 Jahren verflossen ist, die Kevac- 
cination (wo möglich auch mit frisch von einem Kinde entnommener Lymphe und gahlreicheren 
Impfstichen) ein zur Beschaffung größerer Sicherheit sehr empfehlenswerthes Verfahren sey. Durch 
die Allerhöchste Bestimmung vom 16tecn Juni 1834. ist dieselbe in der Armee für alle biejenigen neu 
eintretenden Mannschaften gesetzlich angeordnet, bei welchen nicht unverkennbare Narben der bereits 
überstandenen Menschenpocken vorhanden, oder bie nicht schon vor ihrer Einstellung (jedoch nicht 
länger als 2 Jahre vor derselben) revaccinirt worden sind, und nach der Kabinetsorder vom 
Ilten Januar 1835. darf auch eine Aufnahme in Pensions-Anstalten, welche mit öffentlichen Unter- 
richts-Instituten verbunden find, nicht eher stattfinden, als bis der aufzunehmende Zögling seine 
Vacecinalion oder Revaccinalion, als mnerhalb vorletzter 2 Jahre wirksam an ihm vollzogen, nach- 
gewiesen hat. — Eine solche Revaccinalion wird aber überall um so dringender geboten seyn: 
1. bei Individuen, bei welchen die frühere Vaccination euntweder ganz erfolglos geblieben 
oder doch nur undeutliche Spuren hinterlassen hat; 
2. zur
	        
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