Full text: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten. 1835. (26)

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Borboten der Ausbruch des Weichselzopfs selbst. Unter Empfindungen von Jucken, Kriebeln 
und berglelchen schwellen nämlich an den behaarten Stellen des Körpers, vorzugsweise aber am Kopfe, 
die Krureln an, und es wird ebenduselbst eine zähe, klebrige, bald mehr fektige, bald mehr eiter- 
artige Feuchusgkele ausgeschwitzt, welche die Haare, zuerst an ihrem Grunde, dann in ihrer ganzen känge 
msammenklebt und so verwlrrt, daß sie auf keine Weise auseinander zu bringen und zu ordnen sind. 
Indem babei das Wachsthum der Haare fortgeht, ja oft außerordemtlich stark ist. gestaltet sich die 
Masse derfelben zu sehr verschiedenen Formen, bald langen 35pfen, bald breiten nestförmigen Massen 
u, s. w., was von, zufälligen Umständen, z. B. der Menge und bänge der Haare, der Art sie zu kragen, 
bdem Umfange der ergriffenen behaarten Oberfläche u. s. w. abhangig ist. Zuweilen, wiewohl sellen, 
fetzt sich auch der Krankheitsstoff, zumal bei Personen, die wenig Haar haben, auf die Nägel, sowohl 
der Finger, als Zehen, ab, und erzeugt dort krankhafte Absonderungen, einer, dem Lichttalg ähnliche 
Masse, Auflockerungen, Auswüchse u. dergl. 
. Ein solcher Weichselzopf waͤchst und besteht nun eine verschiedentlich lange Zeit, meist einige 
Monate, jedoch auch Jahrelang fort, wird dann trocken, die Empfindlichkeit der Kopfhaut, falls sie bis 
dahln noch fortbestand, verliert sich, und es bilden sich neue gesunde Haare, unter dem Jopfe, wo- 
durch dieser vollständig abgestoßen wird, was man das Abwachsen desselben nennt; er kann aber in 
dieser Gestalt, wenn er nicht abgeschnitten wird, an dem gesunden Haarc auch noch lange Zeit, selbst 
Jahre hindurch) hangen bleiben. Eben so werden auch die Nägel, wenn sie ergriffen waren, nach ei- 
niger Jelc abgestoßen, unb durch neue, die jedoch selten die gehörige Form, Gläcte und Festigkeit er-- 
langen ersetzt. — Niche selten ereignen sich Rückfälle der Krankhrit. 
Ecs darf indessen, selbst in Gegenken, wo der Weichselzopf einheimisch ist, nicht jede Haarver- 
wirrung dafür gehalten werden. Es giebt namentlich eine von Unreinlichkeit und vernachlässigter 
Pflege bes Kopfs entstandene Verwirrung der Haare, welche man mit dem Namen: „falscher Weich- 
seltopf“ belegt hat, und die gar nicht in die Reihe der Krankheiten gehört. Diesen falschen Weich- 
selzöpfen gehen daher auch niemals allgemeine Krankheitszufälle voraus, wenigstens nicht dergestalr, 
daß sie in ursächlicher Verbindung mit ihnen ständen; die Haarverwirrung selbst ist hier auch niemals 
in dem Maaße vorhanden, wie bei aächten Wrichselzöpfen und einer beharrlichen Mühe gelingt es, die 
Haare wieder zu ordnen, was beim ausgebildeten ächten Weichselzopf durchaus unmöglich ist; die 
klebrige Feuchtigkeit fehle endlich ganz und gar in dem Haarfilze des falschen Zopfes, der gegentheils 
kngewöhalich ktrocken ist und überdles ohne allen Nachtheil für die Gesundheit abgeschnitten wer- 
en kann. 
Die gehörige Unterscheidung dieser beiden Zustände ist aber um so wichtiger, als es sich nicht 
selten ereignet, daß Personen, besonders mit einem starken Haarwuchs begabte, bei jedem andauernden 
Uebelbefinden den herannahenden Weichselzopf ahnen und, um die Entwickelung desselben zu fördern, 
absichtlich die näthige Pflege des Haares veruachlássigen und so zur Erzeugung des falschen Weichsel- 
gopfes selbst Veranlassung geben. Eben so ist et Thatsache, daß in jenen Gegenden Indivicuen in 
der Absicht, sich dem Militairdienste, oder anderen Verpflichtungen zu entziehen) sich nicht selten ge- 
flissentlich die Haare verwirren. 
71.- Wie schon erwähne ist der Weichselzopf in Polen und dessen Nachbarländern ende- 
misch; er befallt daselbst Individuen, namentlich Eingeborne jedes Alters, Geschleches und Standes, 
und nicht blos bei Menschen, sondern auch bei stark behaarten Thieren, z. B. Pferden, Hunden, sowie 
beim Wollvieh kommt diese Krankheit dort vor. Diese Beschränkung derselben auf gewisse Gegenden 
läßt es nicht zweifelhaft, daß ihre Ursachen in lokalen Verhältnissen, insbesondere des Klimas und 
der Lebensweise der Bewohner jener Lbandstriche zu suchen seyen. Man hat als solche besonders nam- 
haft gemacht: Das rauhe unfreundliche Klima Polens; die dort unbeständige, oft naßkalte Witterung, 
die einem solchen Klima und solchen Witterungsverhältnissen selten angemessenen, vielmehr oft engen, 
dunkeln, ungleich tempcrirten, feuchten, zugigen, rauch= und dunsterfüllten, unsaubern Wohnungen, 
schlechte Nachtlager, desgleichen die oft unsaubere, oder unangemessene Bekleikung, welche mehr auf 
Erwärmung des Kopfes, als der übrigen Körpertheile, am wenigsten aber auf das Warmhalten der 
Füße berechnet ist, Unreinlichkeit überhaupt und Vernachlässigung der Kultur des Haares insbesondere, 
rohe, zähe, verdorbene, stark gesalzene Nahrungemittel (wie z. B. alte Häringe) oder ranzig, fette und 
ölige (statt der Buteer z. B. mit beindl zubereitete; Speisen) welche letztere an den vielen Festtagen 
der Sarmaten besonders häufg genossen werden; endlich auch die bis zum llebermaaß beliebten spiri- 
tuösen Getränke. Daß dergleichen Verhältnisse eines Theils eine schlechte Mischung der Säste erzeu- 
gen, ankern Theils die Transpiration beschränken und hemmen und einen Andrang der Säfte nach 
dem Kopfe begünstigen müssen, ist nicht zu leugnen, auch findet man die Krankheit besonders häufig 
bei
	        
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