Full text: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten. 1839. (30)

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Zum 8. 17. 
35. Es i#st die Frage aufgeworfen worden: 
ob ein Erkenntniß, bei welchem eine materielle oder for- 
melle Rechtsverletzung obwaltet, für nichtig zu erkldren 
sep, wenn die Entscheidung in der Sache selbst aus anderen 
Gründen dennoch aufrecht erhalten werden muß? 
Das einen Rechtsgrundsatz verletzende Erkenntniß, welches, so wie es 
vorliegt, nur in Verbindung mit den Gründen ein Ganzes (ein Urtheil) bildet, 
ist allerdings, wenn die Pramissen (die Gründe) unrichtig sind, in sich selbst ge- 
rechtsertigt, und die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde kann also nicht ver- 
worfen werden; da es jedoch unangemessen erscheint, ein Erkenntniß zu vernich- 
ten und in der Sache selbst wieder in der nämlichen Art zu erkennen, so ist in 
einem solchen Falle das Erkenntniß dahin zu fassen: 
„daß wenn auch die Nichtigkeitsbeschwerde für begründet zu erachten, 
dennoch in der Sache selbst das angefochtene Erkenntniß seinem ganzen 
Inhalte nach, oder dahin aufrecht zu erhalten, daß rc. 2c.“ 
Dies ist im Arnkel 11. der Deklararion angedeutet. 
Es ergiebt sich aber daraus zugleich, daß, obgleich in einem solchen Falle 
die Kosten des Nichtigkeitsverfahrens zu kompensiren sind, es doch rücksichtlich 
der Bestimmungen des angefochtenen Erkenntnisses über den Kostenpunkt dewen- 
den mufß, diese also nicht niederzuschlagen sind. 
Beruht das angefochtene Erkenntniß auf mehreren, theils richtigen, kheils 
unrichtigen Gründen, und sind die ersteren solche, daß sie für sich allein die Ent- 
scheidung schon rechtfertigen, so läßt sich auch nicht behaupten, daß eine nichtige 
Emtcheidung ergangen sey, vielmehr muß dann die Nichtigkeitsbeschwerde als 
ungegründet zurückgewiesen werden. 
36. Bei der anderweiten Entscheidung in der Sache selbst, nach Ver- 
nichtung des angefochtenen Erkenntnisses, unterliegt zwar das ganze Sach= und 
Streitverhältniß, so wie es dem früheren Richter vorlag, der Prüfung und Be- 
urtheilung des Geheimen Ober-Tribunals; es darf indeß der Grundsatz, daß die 
Michtigkeitsbeschwerde nur der beeintrachtigten Partei zu starten kommen sols, 
(6. 4. der Verordnung) dieselbe also kein benelicium commune ist, dabei nicht 
unbeachtet bleiben und daher „weder über den Antrag des Imploran= 
ten hinaus (ulira petitum), noch nachtheiliger für ihn, wie es der Geg- 
ner verlangt (in Pejus) erkannt werden.“ 
Neue TLhatsachen, die erst im Nichtigkeitsverfahren angeführt sind, können 
bei der Entscheidung der Hauprsache selbst nicht weiter berücksichtigt werden. 
37. Es ist der Zweifel entstanden: 
ob die Entscheidung in der Hauptsache nicht zur zweiten 
Instanz zurückzuweisen sey, wenn durch das vernichtete 
Appellationserkenntniß bloß das ergriffene Rechtsmittel 
der Appellation verworfen, in der Sache selbst also nicht 
erkannt worden ist. 
Dieses Bedenken beseitigt sich durch die Worte des 5. 17: „und erkennt 
MNo. 1909.) in
	        
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