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sonnen wird, sich nicht vereinigen, und ist die Meinungsverschiedenheit auch im
diplomatischen Wege nicht zu beseitigen, so wollen die beiden kontrahirenden Re-
gierungen den Streitfall zur kompromissarischen Entscheidung eines solchen drit-
ten Deutschen Bundesstaates, welcher sich mit beiden komrahirenden Theilen we-
gen der Uebernahme von Ausgewiesenen in denselben Vertragsverhaͤltnissen be-
findet, oder wenn kein solcher vorhanden ist oder die Entscheidung übernehmen
will, irgend eines anderen, bei dem Streitfalle nicht betheiligten Bundesstaates
stellen. Die Wahl der um Uebernahme des Kompromisses zu ersuchenden Bun-
desregierung bleibt demsenigen der kontrahirenden Theile überlassen, welcher zur
Uebernahme des Auszuweisenden verpflichtet werden soll. An diese dricte Regie-
rung hat jede der betheiligten Regierungen nur eine Darstellung der Sachlagce,
von welcher der anderen Regierung eine Abschrift nachrichtlich mitzurheilen ist,
in kürzester Frist einzusenden. Gegen die kompromissarische Entscheidung ist von
keinem Theile eine weitere Einwendung zuldssig. Bis dieselbe erfolgt, hat der-
senige Staat, in dessen Gebiete das auszuweisende Individuum beim Entstehen
der Differenz sich befand, die Verpflichtung, dasselbe in seinem Gebiete zu
behalten.
(. 9.
Denjenigen Individuen, welche der eine kontrahirende Staat auszu-
weisen beabsichtigt, die aber der andere kontrahirende Staat nach den in ge-
genwärtiger Uebereinkunft festgestellten Grundsätzen aufzunehmen nicht die Pflche
hat, ist der letzte den Eintritt in sein Gebiet zu gestatten nicht schuldig, außer
wenn durch Urkunden völlig überzeugend dargethan wird, daß der Auszuweisende
einem dritten Staate, in welchen derselbe nicht wohl anders als durch das Ge-
biet des mitkontrahirenden Staats geführt werden oder gelangen kann, angehöre
und von demselben werde aufgenommen werden.
8. 10.
Saͤmmtlichen Polizeibehoͤrden der beiden kontrahirenden Staaten wird
zur strengsten Pflicht gemacht, die Absendung eines Auszuweisenden in das
Gebiet des andern kontrahirenden Sctaates nie bloß auf die eigenen Anga-
ben des Auszuweisenden über das Verhdliniß, auf welches die Uebernahmever-
bindlichkeit nach den Bestimmungen dieses Vertrages gegründet wird, zu veran-
lassen, sondern, wenn senes Verhältnih nicht aus völlig glaubhaften Urkunden
hervorgeht, zuvor die Richtigkeit desselben sorgsclig und insbesondere durch Er-
kundigung bei der zuständigen Behörde des Staats, dem die Aufnahme ange-
sonnen wird, zu ermitteln. 1 -
Sollte ein Auszuweisender, welcher von den Behörden des einen kon-
trahirenden Staats den Behörden des anderen Kontrahenten zur Weiter-
schaffung in einen dritten Staat nach den Bestimmungen des #. 9. zugeführt
ist, von diesem letzten nicht angenommen werden, so kann derselbe in den Staat,
der ihn ausgewiesen hat, zurückgebracht werden-
Den Provinzial-Regierungsbehörden beider kontrahirenden Staaten bleibt
#berlassen, ndhere Verabredungen wegen der zu bestimmenden Nichtung der
Transporte und der Uebernahmeorte zu treffen.
(Fo. 2051.) 6G. 13.