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An des Koͤnigs Majestaͤt.
Ew. Koͤnigliche Majestaͤt haben durch die Botschaft vom 8ten v. M.,
aus den darin angeführten Gründen, den Sitz der zur Vereinbarung der Ver-
fassung berufenen Versammlung von Berlin nach Brandenburg verlegt und die
Versammlung aufgefordert, zur Fortsetzung ihrer sofort abzubrechenden Bera-
thungen am 27 sten v. M. in Brandenburg wieder zusammenzutreten. Durch
diese Anordnung, welche lediglich den Zweck hatte, die Freihe#t der Berathun-
gen der Volksvertreter vor den anarchischen Bewegungen in der Hauptstadt
und ihren terroristischen Einflüssen sicher zu stellen, glaubten Ew. Kbönigliche
Majestät nicht nur ein unzweifelhaftes Recht der Krone, sondern auch eine,
durch die Rücksicht auf das Wohl des Landes dringend gebotene Pflicht aus-
zuüben. Leider! ist Ew. Königlichen Majestät wohlmeinende Absicht dabei von
einem großen Theile der Versammlung verkannt worden. Uneingedenk ihrer
wahren Aufgabe und ihrer Pflichten gegen die Krone und das Land, hat die
Mehrzahl der Abgeordneten ihre Berathungen, der von Ew. Königlichen Ma-
jestät angeordneten Vertagung derselben ungeachtet, eigenmächtig in Berlin
fortgesetzz und sich angemaßt, als eine souveraine Gewalt über Rechte der
Krone zu enrscheiden. Sie hat ferner die von Ew. Königlichen Majestat auf
Grund einer klaren gesetzlichen Bestimmung ausgesprochene Auf lösung der Ber-
liner Bürgerwehr für eine ungesetzliche Maßregel erklärt und dadurch die ge-
dachte Bürgerwehr zum Widerstande gegen die Ausführung jener Anordnung
aufgereizt. Sie hat endlich sich nicht gescheut, durch die an das Volk gerich-
tete Aaforderg zur Verweigerung der gesetzlichen Steuern die Brandfackel
der Anarchie in das Land zu schleudern und den ganzen Staatsverband dem
Umsturz Preis zu geben. Durch diese eben so rechkswidrigen wie verderblichen
Beschlüsse hatte die in Berlin forttagende Mehrzahl der Mitglieder der Ver-
sammlung offen mit der Krone gebrochen und Ew. Königl. Majesiät gegen-
über einen Standpunkt eingenommen, bei dessen Festhaltung die Möglichkeit
einer befriedigenden Vereinbarung des Verfassungswerkes nicht abzusehen war.
Hiernach waren Ew. Koönigl. Majesiät schon damals, unmittelbar nach dem
Steuerverweigerungs-Beschluß, unzweifelhaft berechtigt gewesen, die Versamm-
lung aufzulösen. Gleichwohl gaben Ew. Königl. Majestät die Hoffnung noch
nicht auf, daß die seitdem laut gewordene Stimme des Landes und die durch
eine leidenschaftliche Auffassung vorübergehend zurückgedrängte Vaterlandsliebe
viele jener Abgeordneten von dem betrekenen Abwege zurückführen, daß unter
deren Hinzutrikt die Bersammlung nach Ablauf der Verkagungefrist in beschluß-
fähiger Zahl sich neu konstitufren, daß sie dann die Ungesetzlichkeit und Ungül-
tigkeit der während der Vertagungsfrist von einem Theile ihrer Mitglieder ge-
faßten Beschlüsse in einer unzweideutigen Weise anerkennen, und daß es so der
Krone werde möglich gemacht werden, die abgebrochenen Vereinbarungs-Ver-
handlungen wieder aufzunehmen und bald zu einem gedeihlichen Ziele zu füh-
ren. Wäre dies gelungen, so würde es auch möglich geworden sein, noch
einige zur Verbesserung der Lage der bauerlichen Besitzer und zur Erfüllung
anderer dringenden Wünsche des Landes schon vorbereitete Gesetze, im Ver-
ein mit der Versammlung, bald zu Stande zu bringen. Er