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(No. 7408.) Gesetz über die juristischen Prüfungen und die Vorbereitung zum höheren
Justizdienste. Vom 6. Mai 1869.
Wir Wilhelm) von Gottes Gnaden König von Preußen k.
verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtages, für den ganzen Um-
fang Unserer Monarchie, was folgt:
Abschnitt I.
K. 1.
Zur Bekleidung der Stelle eines Richters, Staatsanwaltes, Rechtsanwal-
tes (Advokatanwaltes, Advokaten) oder Notars ist die Zurücklegung eines drei-
jährigen Rechtsstudiums auf einer Universität und die Ablegung zweier juristi-
scher Prüfungen erforderlich.
Von dem dreijährigen Zeitraum sind mindestens drei Halbjahre dem
Rechtsstudium auf einer Universität zu widmen, an welcher in deutscher Sprache
gelehrt wird.
Der Justizminister hat die Befugniß, mit Rücksicht auf das vorangegan-
ene Universitätsstudium in einer anderen Dissipim b, als in der Rochtssisen.
chaft, von dem vorgeschriebenen dreijährigen Rechtsstudium einen angemessenen
Zeitraum zu erlassen.
§S. 2.
Die erste Prüfung ist bei einem Appellationsgerichte, die zweite — große
Staatsprüfung — bei der für die ganze Monarchie eingesetzten Justiz= Prüfungs.
kommission abzulegen.
g. 3.
Die erste Prüfung besteht aus einer schriftlichen und einer mündlichen.
S. 4.
Den Gegenstand der Prüfung bilden die Disziplinen des öffentlichen und
Lnpatrchts und der Rechtsgeschichte, sowie die Grundlagen der Staatswissen-
schaften.
Die Prüfung muß auf Erforschung der positiven Kenntnisse des Kandidaten,
seiner Einsicht in das Wesen und die geschichtliche Entwickelung der Rechtsver-
hältnisse, sowie darauf gerichtet werden, ob der Kandidat sich überhaupt die für
seinen künftigen Beruf erforderliche allgemeine rechts- und staatswissenschaftliche
Bildung erworben habe.
G. 5.
Die in der ersten Prüfung Bestandenen werden von dem Präsidenten des
Appellationsgerichts, bei welchem sie sich zur Beschäftigung melden, zu Referen-
darien ernannt und eidlich verpflichtet. Ab