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sicht Labands°), nach der Elsaß-Lothringen nur ein Ver-
waltungsbezirk, eine Provinz des Reiches ist und daher
nicht als Bundesstaat unter Art. «6 fällt®). Demgemäß
können Streitigkeiten zwischen dem Reichsland und einem
Bundesstaat nur als Streitigkeiten zwischen dem betreffen-
den Bundesstaat und dem Deutschen Reiche in Betracht
kommen, für die aber dann Art. 76 I unanwendbar wäre.
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Als weiteres Erfordernis für die Anwendung des
Art. «61 ist der Umstand anzusehen, daß die Streitigkeit
zwischen „verschiedenen“ Bundesstaaten bestehen muß.
Nicht nötig ist, daß die Streitigkeit ausschließlich zwischen
zwei Staaten als solchen besteht; es genügt, wenn auf der
einen Seite ein Bundesfürst, allerdings nur in seiner Eigen-
schaft als Staatsoberhaupt Partei ist. Unter Art. 76 I fällt
dagegen nicht ein Streit zwischen einem Bundesstaat und
dem Reiche. \Venn auch das Deutsche Reich selbst in der
Literatur oft als Bundesstaat bezeichnet wird, so besteht
doch kein Zweifel, daß es im Sinne der Reichsverfassung
kein Bundesstaat ist, da die Reichsverfassung von der Ge-
samtheit der Bundesstaaten als vom „Deutschen Reiche“
spricht; wie schon als analoger Fall zur Zeit des Norddeut-
schen Bundes die Gesamtheit der Einzelstaaten als „Nord-
deutscher Bund“ bezeichnet wurde. Demnach würde auch
ein Streit mit Elsaß-Lothringen als Streit mit dem Reiche
anzusehen sein. Da nun eine zur Entscheidung derartiger
Streitigkeiten kompetente Behörde nicht existiert —, für
diese Fälle aber. auch Art. 761 unanwendbar ist, — so würde
nur dann, wenn in dem Streite gleichzeitig die Nichterfüllung
der Bundespflichten des betreffenden Einzelstaates dem
5) Labanda.a 0.1 S. 680, 11 S. 197.
6) S. auch den Wortlaut des neuen Art. 6a der Reichsver-
fassung.
Diss. Günther. 2