Full text: Der Bundesrat als Rechtspflegeorgan des Reiches.

wenden, völlig frei, wie sie ihre Streitigkeit schlichten 
wollen. Sie können sich z. B. beide auf ein Schiedsgericht 
einigen. Nur wenn ein Teil die Entscheidung des Bundesrats 
angerufen hat, dann muß der andere ihm vor das Forum 
des Bundesrates folgen und sich desselben Entscheidung ge- 
fallen lassen ?). Der Bundesrat ist also zum Einschreiten 
auf Grund des Art. 76 I berechtigt und verpflichtet, wenn 
ein oder natürlich auch beide Streitteile sich an ihn gewandt 
hatten. Aber auch nur dann! Dagegen schließt Art. 161 
von dem Rechte des Anrufs die Initiative eines jeden 
Dritten vollständig aus, indem dieses Recht nur den beiden 
Streitteilen ausdrücklich zugestanden wird. Mag dieser 
Dritte — in Betracht käme z. B. ein dritter Bundesstaat, 
der Reichstag oder der Bundesrat selbst — an der Lösung 
der bestehenden Differenz mittelbar noch so sehr interessiert 
sein! Demgemäß steht das Anrufungsrecht ganz ausschließ- 
lich den beiden Streitteilen zu. Die Zuständigkeit des 
Bundesrates würde übrigens selbst dann noch gegeben sein, 
wenn beim Vorliegen der materiellen Voraussetzungen ein 
Streitteil den Bundesrat anruft, trotzdem beide Parteien 
sich vertraglich verpflichtet haben, ihren Streit durch ein 
Schiedsgericht zu erledigen. Hierin ist zwar eine Verletzung 
der Vertragspflicht zu erblicken, die aber für die Kompetenz 
des Bundesrats nach Art. 76I belanglos wäre. 
§ 8. 
Wenn nun die Entscheidung des Bundesrats auf Grund 
des Art. 76 I verlangt wird, dann hat der Bundesrat zu- 
nächst einmal, wie jedes andere Gericht, von Amts wegen 
seine Zuständigkeit zu prüfen. Er muß also untersuchen, 
ob die, die ihn angerufen haben, auch hierzu berechtigt 
2) v. Seydel. Der deutsche Bundesrat, Jahrbuch für Gesetz- 
gebung, Verwaltung und Volkswirtschaft. 3. Jahrg, Heft 2), 
S. 16; Zorn a. a. O. S. 171.
	        
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