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in der freien Stadt Bremen (3 66 Il der Verfassung
vom 17. Nov. 1875);
9. in der freien Stadt Lübeck (Art. 74 der Verfassung
von 5. April 1875).
Es fragt sich nun, ob in diesen Staaten ausschließlich
die verfassungsmäßig bestimmte Behörde kompetent zur
Entscheidung von Verfassungsstreitigkeiten ist, oder ob
unter Umständen trotzdem der Bundesrat zuständig ist. Der
Wortlaut des Art. 761I spricht offenbar für die erste Auf-
fassung. Trotzdem kann ich mich 'der Behauptung v. Sey-
dels?): „Die Tätigkeit der Organe des Reiches ist: gänzlich
ausgeschlossen, wenn in einem Staate eine entscheidende
Behörde für Verfassungsstreitigkeiten besteht“ nicht an-
schließen. Denn m. E. kann trotz Bestehens einer solchen
Behörde der Bundesrat dann tätig werden auf Grund des
Art. «6 II, wenn Differenzen bestehen, ob die Streitigkeit.
die vorliegt, gerade zur Zuständigkeit der betreffenden ver-
fassungsmäßig bestimmten Behörde gehört. Ferner halte
ich auch die Ansicht Hänels, daß „die Kompetenz des
Reiches für alle solche Fälle bestehen bleibe, in denen die
partikularrechtlichen (Gerichtshöfe oder Schiedsgerichte zur
Entscheidung nicht kompetent sind“, in dieser unein-
geschränkten Form für nicht richtig. Denn weshalb sollten
die streitenden Parteien gegebenenfalls die beschränkte
Kompetenz ihrer bereits bestehenden Behörde nicht er-
weitern können durch ein entsprechendes Gesetz? Ich würde
sogar noch weiter gehen und den Staaten das Recht ein-
räumen. bei entstandener Verfassungsstreitigkeit ohne
weiteres eine derartige Behörde ins Leben zu rufen, wobei
ich allerdings nicht verkenne, daß der Wortlaut des Art. 76 II
gegen mich spricht. Wenn man aber auf den Sinn des Ge-
setzes Rücksicht nimmt und der geht dahin, daß nach Mög-
lichkeit die Entscheidung einer Verfassungsstreitigkeit dem
32) v. Seydel, Kommentar S. 408.