Full text: Gesetzes- und Verordnungs-Blatt für das Großherzogtum Baden. Jahrgang 1906. (38)

50 VI. 
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Vor der Entlassung des Zöglings aus der Volksschule ist rechtzeitig für die zweckmäßige 
Ausbildung desselben zu einem bestimmten Lebensberufe Vorsorge zu treffen. 
Bei der Bestimmung des Berufs sind die Gesundheits= und Vermögensverhältnisse, 
Anlagen und Fähigkeiten, soweit tunlich auch die eigenen Wünsche des Zöglings und diejenigen 
seiner nächsten Verwandten angemessen zu berücksichtigen. 
Soll der Zögling in ein Lehr= oder Dienstverhältnis kommen, so ist darauf Bedacht zu 
nehmen, daß er bei einem durchaus zuverlässigen Lehr= oder Dienstherrn untergebracht wird; 
beim Abschluß des Vertrags ist in der Regel eine entsprechende Probezeit auszubedingen und 
vorzusehen, daß der Zögling zu nicht beruflichen Geschäften nur ausnahmsweise verwendet 
werden darf. 
Für den Lehr= oder Dienstvertrag ist die besondere Genehmigung des Bezirksamts 
ebenfalls vorzubehalten. 
g 22. 
Sobald die Unterbringung in einer Familie erfolgt ist, hat das Bezirksamt einen beson- 
deren Fürsorger zu bestellen, welchem die persönliche ÜUberwachung der Leistungen der Familie 
sowie des Verhaltens des Zöglings in der Zwangserziehung zu übertragen ist. 
Für Zöglinge, welche unter Vormundschaft stehen, ist, wo nicht besondere Hinderungs- 
gründe vorliegen, der Vormund oder Gegenvormund als Fürsorger aufzustellen. 
Für weibliche Zwangszöglinge können auch Frauen zum Fürsorgeramte berufen werden. 
Bei der Auswahl ist auf das religiöse Bekenntnis des Zwangszöglings Rücksicht zu nehmen. 
g 28. 
Die in 8 22 erwähnte Kontrolle hat sich vor Allem darauf zu erstrecken, ob bei der 
Familie, in welcher der Zögling untergebracht ist, die tatsächlichen Verhältnisse, welche die sorg- 
fältige und vollständige Erfüllung ihrer Verpflichtungen ermöglichen, andauernd vorhanden sind. 
Der Fürsorger hat den Zögling in geeigneten Zwischenräumen in der Familie persönlich 
aufzusuchen und sich vorstellen zu lassen, über die Art der Unterkunft, Verpflegung, Erziehung 
und Beschäftigung, über sein Verhalten sowie über Kirchen= und Schulbesuch sich zu ver- 
gewissern, in letzterer Hinsicht sich auch mit dem Ortsgeistlichen und Lehrer zu benehmen und, 
sofern sich irgend welche Mängel ergeben, für deren alsbaldige Abstellung besorgt zu sein. 
Den hiernach getroffenen Anordnungen hat der Familienvorstand und der Zögling nach- 
zukommen. Geschieht dies nicht oder handelt es sich um gröbere Mißstände, so ist von dem 
Fürsorger unverweilt Anzeige an das Bezirksamt unter Beifügung weiterer Vorschläge zu 
erstatten. 
Das Amt des Fürsorgers ist ein Vertrauensamt, das von anderen Personen als dem 
Vormund oder Gegenvormund freiwillig übernommen wird, und dessen Übertragung wider- 
ruflich ist. Bare Auslagen werden als Kosten der Zwangserziehung dem Fürsorger ersetzt.
	        
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