Contents: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Staatsrecht. 27 
für sich das Ganze des staatlichen Wirkungskreises ausfüllen, diese Totalität vielmehr unter 
beide durch die Bundesverfassung verteilt ist, woraus freilich nur der Einzelstaatsgewalt, als 
der nichtsouveränen, subordinierten Gewalt, Rechtsschranken in bezug auf die Selbstbestimmung 
ihrer Zwecke erwachsen, indes die Bundesgewalt, souverän wie sie ist, „Kompetenz-Kompetenz“ 
ausüben, sich jeweils weitere, größere Zwecke setzen kann unter Verringerung des einzelstaat- 
lichen Wirkungskreises (s. unten bei der Verteilung zwischen Reich und Einzelstaaten). 
Die Einheit der Staatsgewalt schließt es nun nicht aus, daß man die sehr mannigfaltigen 
Richtungen und Formen, in denen diese Gewalt tätig wird, gruppenweise, kategorienweise 
ordnet. Eine zweifache Gliederung dieser Gesamttätigkeit ist möglich. Man kann nämlich 
einmal nach materiellen, andererseits nach formellen Unterscheidungsmerkmalen einteilen. Die 
materielle Gliederung des Gesamtbildes der Staatsgewalt ist die nach Tätigkeits- 
gebieten, die formelle die nach Funktionen (Tätigkeitsformenyn). 
Die erstgenannte Gliederung sieht auf die Verschiedenheit der materiellen Richtungen, 
in denen die Staatsgewalt sich zu betätigen vermag, auf die inhaltlichen Unterschiede der 
Zwecke, die sie sich setzt. Eine sehr gebräuchliche Einteilung dieser Art (praktisch-organisatorisch 
zum Ausdruck gelangend in der sog. klassischen Fünfzahl der Ministerien: Ministerium oder 
„Departement“ des Auswärtigen, des Krieges, der Justiz, der Finanzen, des Innern) nennt 
fünf Staats tätigkeitsgebiete: das Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten, 
des Kriegswesens, der Rechtspflege, des Finanzwesens, der innerer 
Verwaltung. Die Einteilung zielt, wie hervorgehoben, ausschließlich auf materielle, inhalt- 
liche Kriterien, die Frage nach den Formen, in welchen der Staatswille innerhalb jedes 
der genannten Tätigkeitsgebiete sich äußert, ist für die Abgrenzung der Gebiete bedeutungslos. 
Innerhalb eines jeden Tätigkeitsgebietes können Staatshoheitsakte von spezifischer und charakte- 
ristischer Verschiedenheit der Form vorkommen; so fällt in das Tätigkeitsgebiet des Kriegswesens, 
also der auf Schaffung, Einrichtung, Unterhaltung und Verwendung der bewaffneten Macht 
gerichteten Staatstätigkeit sowohl der Erlaß eines Militärgesetzes (z. B. eines Gesetzes über die 
Verpflichtung zum Militärdienst), wie der Spruch eines Kriegsgerichts, wie die Erteilung eines 
militärischen Befehls oder die Vomahme eines militärischen Verwaltungsaktes (z. B. Aus- 
hebung zum aktiven Dienst, Requisition, Bequartierung usw.). Damit öffnet sich der Blick auf 
die zweite Einteilung und Gliederung der staatlichen Gesamttätigkeit: diejenige nach 
Tätigkeitsformen oder Funktionen der Staatsgewalt. « 
Die Funktionen der Staatsgewalt sind die typischen Grundformen ihrer Willensäußerung 
und Willensbetätigung. Seit alters her hat man drei solche Typen — „Grundfunktionen“ — 
aufgestellt, mit dem Anspruch auf Vollständigkeit und Restlosigkeit dieser Dreiteilung, der Art, 
daß jeder Willensakt der Staatsgewalt sich ein em dieser Typen ein- und unterordnen lassen 
müsse. Diese Grundfunktionen der Staatsgewalt sind: Gesetzgebung, Justiz, Ver- 
waltungt!. 
Die Dogmengeschichte dieser „trias politica“ reicht bis in das Altertum zurück. Schon 
Aristoteles lehrte, daß als rolu###é### # ih , zu unterscheiden seien: r 
Borleéksoy Kepl rchv Notydht; r5 nepl rag dp P und p dixcicov (vgl. hierüber insbesondere 
Rehm, Geschichte der Staatsrechtswissenschaft, 84 ff.). Es ist eine Dreiteilung, welche der 
modemen Unterscheidung von gesetzgebender, verwaltender (vollziehender) und richterlicher 
Gewalt, wenn auch nicht genau, so doch in wesentlichen Punkten entspricht. Dem Mittelalter 
nicht unbekannt, aber von ihm unverstanden und ohne Einfluß auf die Verfassung des Staates 
wie der Kirche wurde die aristotelische Dreiteilung erst von der naturrechtlichen Staatstheorie 
des 17. und 18. Jahrhunderts gleichsam neu entdeckt; durch J. Locke (two treatises on govern- 
ment 1689), ganz besonders aber durch Montesquieu (ksprit des lois 1748) erhielt sie 
diejenige Gestalt und Prägung, in welcher sie nachmals und heute erscheint, als ein Fundamental- 
satz, dessen praktisch-politische, verfassungsgestaltende Kraft mindestens ebenbürtig ist seiner 
staatsrechtlich-theoretischen Bedeutung. Aus der antiken trias politica schuf Montesquien 
die Lehre von der Teilung der Gewalten. 
1 Bgl. zum folgenden: Anschütz in der „Kultur der Gegenwart“, Systematische Rechts- 
wissenschaft, 2. Aufl. (1913) Einleitung.
	        
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