348 III. 5. Die Großmächte und die Trias.
der erste fast, der im behäbigen Altbaiern modernen Unternehmungsgeist
erweckte. Auch Graf Bentzel-Sternau machte viel von sich reden, ein alter
Bonapartist, der vor Zeiten im Großherzogthum Frankfurt Dalberg's ver—
trauter Minister gewesen war, jetzt aber auf seinem Landhaus am Züricher
See zweifelhafte Dichtungen im Stile Jean Paul's anfertigte und zugleich
den deutschen Flüchtlingen gastlich Obdach gab. Er wirkte eifrig für pro—
testantische Aufklärung und trat endlich förmlich zur evangelischen Kirche
über. Seine Erfahrungen aus dem Landtage legte er nachher in den
„Baierbriefen“ nieder, einem mehrbändigen Briefwechsel zwischen Reikiavik
und Hochwittelsbach, dessen wunderlicher witzelnder Wortschwall im Grunde
nur die eine Wahrheit erwies, daß die Geschicke des Erdballs sich um das
Münchener Ständehaus bewegten.
Wie bescheiden auch die Mehrheit des Landtages auftrat, sie mußte
doch bald fühlen, daß jetzt ein anderer Wind am Hofe wehte. Seit jener
Unterredung von Tegernsee hatte sich Zentner seinen Gegnern Rechberg
und Thürheim genähert, und Lerchenfeld stand bereits so vereinsamt, daß
er im Ministerrathe der Verlängerung der Karlsbader Beschlüsse nach
einigem Bedenken schließlich selber zustimmen mußte.“) Im Saale an der
Prannersgasse hatte man in der Zwischenzeit die Logen für den Hof und
die Diplomatie beträchtlich erweitert, so daß der allgemeine Zuhörerraum
sich verkleinerte; und derselbe Geist kleinlicher polizeilicher Angst bekundete
sich auch in der Geschäftsordnung, welche die Minister, um ihre Frank—
furter Zusagen zu erfüllen, dem Landtage alsbald vorlegten. Die Vorlage
ging sogar weit über die Bundesbeschlüsse hinaus, sie enthielt nicht nur
sehr scharfe Bestimmungen wider den Mißbrauch der Redefreiheit, sondern
auch die Vorschrift, daß kein Abgeordneter fortan einen förmlich aus—
gearbeiteten Gesetzentwurf einbringen dürfe; damit war das beschränkte
Recht der Initiative, das dem Landtage nach der Verfassung zustand, ganz
unter der Hand durch einen Paragraphen der Geschäftsordnung fast gänz-
lich beseitigt. In einer Reihe geheimer Sitzungen wurden diese Vorschläge,
unter begreiflicher Erregung, erörtert. Vergeblich warnte Rudhart: „ohne
Oeffentlichkeit zerfällt die Verfassung in sich.“ Die Mehrheit unterwarf
sich den Beschlüssen des Bundestags; sie wußte wohl, daß die reaktionäre
Partei am Hofe entschlossen war, die Geschäftsordnung dem Landtage
nöthigenfalls durch einen königlichen Befehl einfach aufzuerlegen.)
An anderen gesetzgeberischen Ergebnissen war diese Tagung sehr arm;
auch die drei Gesetze vom 11. Sept. 1825 über Niederlassung und Ge-
werbebetrieb entsprangen nicht einem staatsmännischen Plane sondern der
Verlegenheit. Die Regierung fühlte lebhaft die Unhaltbarkeit des alten
Zunftwesens, aber sie wagte auch nicht mit den tief eingewurzelten Vor-
*) Küster's Bericht, 11. August 1824.
**) Küster's Bericht, 8. September 1824.