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§. 9.
Ueber die erfolgte Leichenschau hat der Leichenschauer einen Leichenschauschein auszu-
stellen. Die Ausfertigung darf erst dann erfolgen, wenn der Leichenschauer die volle Ge-
wißheit des eingetretenen Todes gewonnen hat.
Sind Anhaltspunkte für die Annahme eines nicht natürlichen Todes vorhanden, so hat
der Leichenschauer gemäß Art. 43 Abs. 1 des Polizeistrafgesetzbuches nnverzüglich Anzeige
und Befundbericht an die Ortspolizeibehörde zu erstatten, von welcher nach Maßgabe des
§. 157 der Reichs-Strafprozeßordnung und nach der Ministerial-Bekanntmachung vom 3. Ok-
tober 1879 (Ministerial-Amtsblatt Seite 537) sofort weitere Einleitung zu treffen ist. Das
gleiche Verfahren ist bezüglich aufgefundener Leichen zu beobachten.
Der Leichenschauschein ist in diesen Fällen (Abs. 2) mit der Bemerkung zu versehen,
daß die Beerdigung nicht vor Ertheilung der nach §. 157 der Reichs-Strafprozeßordnung
beziehungsweise nach der angeführten Ministerial-Bekanntmachung erforderlichen richterlichen
oder behördlichen Genehmigung erfolgen darf.
Im Uebrigen haben die Leichenschauer ihr Verhalten nach den Vorschriften der an-
liegenden Dienstanweisung zu bemessen.
g. 10.
1. In der Regel dürfen Leichen nicht früher als 48 und nicht später als 72 Stunden
nach Eintritt des Todes beerdigt werden.
Die Beerdigung vor Ablauf von 48 Stunden kann auf Begutachtung seitens des
Leichenschauers durch die Ortspolizeibehörde ausnahmsweise gestattet werden, wenn die
Leichenöffnung stattgefunden hat, desgleichen bei eingetretener Fäulniß und wenn die Leiche
in Ermanglung eines sonstigen Raumes in einer überfüllten Wohnung aufzubewahren ist.
Außerdem kann die Beerdigung jüdischer Leichen schon nach Ablauf von mindestens
24 Stunden auf Begutachtung des Leichenschauers durch die Ortspolizeibehörde gestattet
werden, wenn die Beerdigung bei Einhaltung der in Abs. 1 bezeichneten Fristen auf einen
Sabbath oder einen hohen jüdischen Festtag fiele.
Im Leichenschauscheine ist der Grund, warum eine frühere Beerdigung begutachtet
wird, zu bemerken.