Beil. II. 35
Staatslebens als staatliche Machtvollkommenheit, als summum imperium, beziehungsweise
auf der Kehrseite als Unterordnung unter dieses umperium darstellt. Nach ihrer Außen-
seite, in den Beziehungen zu anderen souveränen Staaten, somit in völkerrechtlicher
Hinsicht, fällt dagegen der Schwerpunkt des Souveränetätsbegriffs in die Unabhängigkeit
des einen Staates von dem imperium des anderen. Diese Unabhängigkeit begründet von
selbst einerseits das Recht zur Ablehnung jeder Consequenz einer solchen Machtvollkommenheit,
welche sich Seitens eines souveränen Staates gegenüber einem anderen mit einem Rechts-
zwange geltend machen wollte, andererseits aber auch nach dem weiteren völkerrechtlichen Grund-
satze der principiellen Gleichstellung souveräner Staaten für den gegenbetheiligten Staat die
Verpflichtung, die Unabhängigkeit des anderen souveränen Staates anzuerkennen und zu achten.
Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, gelangt man von selbst im Principe zur An-
erkennung des in der völkerrechtlichen Theorie, wie in der neueren Staats= und speciell
auch Gerichts-Praxis bereits vielseitig aufgestellten und anerkannten Grundsatzes, daß
ein souveräner Staat der Gerichtsbarkeit eines anderen souveränen Staates
in der Regel nicht unterworfen ist.
Heffter, Europ. Völkerrecht, 7. Aufl. S. 79,
Westlake, Lehrb. des internationalen Privat-Rechts; deutsche Ausgabe 1884,
S. 219,
Foelix, droit international privé, 4 édit. t. 1 p. 418,
Urtheil des Gerichtshofs für Kompetenzkonflikte in Berlin vom 14. Jänner 1882
(abgedruckt in Gruchots Beitr. zur Erläuterung des deutschen Rechts III. Folge
Bd. 6 S. 298),
dann die Urtheile des Appellhofs in Brüssel vom 31. Dezember 1840,
des Cassationshofs in Paris vom 22. Januar 1849,
des Civiltribunals in Antwerpen vom 11. November 1876,
des obersten Gerichtshofs in Wien vom 4. September 1877 (abgedruckt bei
Gruchot a. a. O. S. 304, 306, 309).
Wenn dieser Grundsatz in den für Deutschland und sohin auch für Bayern z. Z. in
Geltung stehenden, die Gerichtsverfassung und das gerichtliche Verfahren betreffenden Reichs-
gesetzen nicht eigens Ausdruck gefunden hat, so steht dieß seiner Anerkennung und Anwendung
nicht entgegen, nachdem der fragliche, die staatliche Jurisdictionsgewalt einschränkende Grund-
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