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zu erblicken vermag.“ Der Minister behauptete ferner, sich mit
seiner Meinung auch auf anerkannte Staatsrechtslehrer berufen zu
können, die er allerdings nicht namhaft machte, und daß die
Regierung, wenn sie nicht in gegebenem Falle sich Etatsüber-
schreitungen erlauben könnte, in eine unerträgliche Situation ge-
bracht würde, und fügte ferner hinzu: wenn die Regierung die
Erklärung gegenüber der Deputation abgegeben habe, sie er-
kenne eine inkonstitutionelle Handlungsweise nicht an, wolle aber
bei der Höhe der Überschreitungen doch um Indemnität ausdrücklich
nachgesucht haben, so habe sie eine bestehende Meinungsverschieden-
heit über eine Frage des Etatsrechtes im Wege des Kompromisses
beseitigen wollen. Mit dem Ausdruck Indemnität habe keines-
wegs zugestanden werden sollen, daß eine Verfassungsverletzung
vorliege.
Abgesehen von dem sehr anfechtbaren staatsrechtlichen Stand-
punkte des Ministers fiel vor allem auf, daß das Gesamtministe-
rium sich für den schon so gut wie aufgegebenen Finanzminister
in die Bresche warf. Gegen diesen wandte sich ganz besonders,
nachdem von den Führern der nationalliberalen und konservativen
Fraktion die Rede des Ministerpräsidenten gebührende Kritik er-
fahren, der Vorsteher der Dresdener Stadtverordneten, der kon-
servative Abgeordnete Stöckel. Im ganzen Lande, in allen
Kreisen gelte es als selbstverständlich, daß die Leitung der Staats-
finanzen nicht in geeigneten Händen liege, nur in der Kammer sei
das noch nicht ausdrücklich gesagt worden. „Aber ich glaube im
Namen vieler es hier aussprechen zu dürfen: Der Bericht (nämlich
der Deputation) ist ein Symptom, ein Symptom dafür, daß die
Leitung unfrer sächsischen Finanzen bei der Kammer nicht als eine
richtige anerkannt wird, und daß wir wünschen müssen, daß diese
Leitung bald einen andern Kurs nehmen möge, und daß diese
Leitung selbst bald eine andere sein möge Wenn mir in
irgend einer Lebenslage jemand, mit dem ich zu verkehren habe,
den ich zu vertreten habe, mit dem ich zu verhandeln habe, sagt:
„Es tut mir leid, was du in letzter Zeit getan und gesagt hast,
das ist so gewesen, daß ich dir nicht mehr vertrauen kann“ —
dann gebe ich ihm die Hand und sage: „Das tut mir leid, ich
Sturmhoefel, Geschichte der sächsischen Lande. II. 36