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Beilage II zum Gesetz= und Verordnungsblatte für das Königreich Bayern vom Jahre 1910.“)
Erkenntnis des Gerichtshofs für Kompetenzkonflikte in dem zwischen der Regierung, Kammer
des Innern, von Oberbayern und dem Oberlandesgerichte München entstandenen Streit über die
Zuständigkeit für die Entscheidung über den von den Erben des Kaminkehrers und Anstreichers Willibald
Wildenauer von Garmisch gegen die Marktgemeinde Garmisch erhobenen Anspruch auf Rück-
vergütung des zum Ersatz empfangener Armenunterstützungen an die Armenpflege Garmisch
bezahlten Betrages.
Im Namen Seiner Majestät des Königs von Bayern
erkennt der Gerichtshof für Kompetenzkonflikte in dem zwischen der Regierung, Kammer des
Intiern, von Oberbayern und dem Oberlandesgerichte München entstandenen Streit über
die Zuständigkeit für die Entscheidung über den von den Erben des Kaminkehrers und Anstreichers
Willibald Wildenauer von Garmisch gegen die Marktgemeinde Garmisch erhobenen
Anfpruch auf Rückvergütung des zum Ersatz empfangener Armennnterstützungen an die
Armenpflege Garmisch bezahlten Betrages zu Recht:
Zuständig sind die Gerichte.
Gründe.
I. Am 9. Juni 1905 verstarb zu Garmisch die Kaminkehrerswitwe Maria Josepha
Glatz. Sie wurde auf Grund Gesetzes von ihren Kindern, darunter von ihrem erstehelichen
Sohne Willibald Wildenauer, Kaminkehrer und Anstreicher in München, beerbt. Ihre
Er ben beantragten die amtliche Vermittlung der Auseinandersetzung des Nachlasses und Über-
weisung derselben an das Notariat Garmisch. Das Amtsgericht Garmisch verfügte demgemäß.
Am 3. Juli 1905 beantragte der Armenpflegschaftsrat Garmisch bei dem dortigen
Amtsgericht, den Erbteil des Willibald Wildenauer zu Gunsten einer Forderung der
Armenpflege Garmisch im Betrage von 1277,80 arrestweise zu pfänden; denn der
Familie des Willibald Wildenauer seien vom Jahre 1897 an bis Ende März 1905
Armenunterstützungen zum erwähnten Betrag gewährt worden, und nunmehr bestehe bei
raschem Zugreifen für die Gemeinde Garmisch die Möglichkeit, Ersatz der gewährten Hilfe
von Willibald Wildenauer zu erlangen. Mit Beschluß vom 6. Juli 1905 ordnete das
Amtsgericht Garmisch „dinglichen Sicherheitsarrest zu Gunsten der Ersatzforderung der Gemeinde
Garmisch von 1277,80 — sowie eines Kostenbetrages von 30 in den Anteil des
Willibald Wildenauer an dem Nachlaß seiner Mutter an und pfändete diesen Erbteil zu
Gunsten der Ansprüche der Marktgemeinde Garmisch.“" Wildenauer hat gegen diesen
Arrestbeschluß, der ihm am 10. Juli zugestellt wurde, keinen Widerspruch erhoben. Abschrift
*) Ausgegeben zu München, den 20. August 1910.