Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1841. (7)

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in die Correctionshäuser vorangehenden Sterafen an dem Individuum nicht sämmtlich 
anwendbar seien, — was sich eben nur auf die vorerwähnte Strafart beziehen läßt — 
so kommt insbesondere in Betracht, daß die naͤmlichen Gruͤnde, welche bei Erlaß des 
Criminalgesetzbuchs dahin geführt haben, die im Art. 22 bei Vagabunden und Bett- 
lern nachgelassene Verwandlung einer verwirkten Gefängniß= oder Handarbeitsstrafe in 
körperliche Züchtigung auf Personen männlichen Geschlechts zu beschränken, da, wo vom 
Verfahren gegen Bettler, als solche, die Rede ist, nicht minder Gültigkeic haben mus- 
sen; daher denn, sollten dieselben hierbei außer Berücksichtigung zu lassen sein, ein auf- 
fälliger und nicht wohl zu rechtfertigender Widerspruch in den Grundprincipien der Ge- 
setzgebung hervortreten wurde. 
Ergiebt sich nun hieraus für die richtige Auslegung der Armenordnung von selbst die 
Folgerung, daß auch nach diesem Gesetze die Strafe der körperlichen Züchtigung nur von 
männlichen Individuen zu verstehen sei, so würden doch, sollte hierbei der richterlichen 
Interpretation freier Spielraum gegeben werden, mannichfache Ungleichheiren in der Ge- 
setzesanwendung nicht zu vermeiden sein. 
Um diese zu verhüten und die erforderliche Gleichförmigkeic des Verfahrens bei Hand- 
habung der in der Armenordnung enthaltenen Strafbestimmungen zu sichern, werden 
daher die betreffenden Polizei= und Verwaltungsbehörden hierdurch im Allgemeinen be- 
schieden und angewiesen, daß die im § 119, 3, der Armenordnung bestimmte Strafe 
gegen Bertlerinnen nicht zu erkennen sei. Es wird vielmehr jeder Zeit, wenn eine 
Bettlerin mit der zu 2, § 119 angedrohten Strafe bereits belegt worden ist und gleich- 
wohl wiederum rückfällig wird, sowie nicht minder in den Fällen, wo die köärperliche 
Züchtigung auch an einem zum zweiten Male rückfälligen männlichen Verbrecher nach 
ärztlichem Ermessen nicht zu vollziehen ist, anderweit auf eine, nach derselben Bestim- 
mung zu 2, § 119 zu bemessende Strafe zu erkennen, hierbei aber, soweit thunlich, 
innerhalb des gegebenen Strafmaaßes darauf Rücksicht zu nehmen sein, daß eine ange- 
messene Verschärfung im Verhältniß zu der vorher erlittenen Strafe erlangt werde. In 
fernern Wiederholungsfällen ist sodann wegen Einlieferung des Betelers oder der Bertt- 
lerin in das Correctionshaus der Vorschrife der 9§ 119, 4, und 124 nachzugehen. 
Auf das im § 128 der Armenordnung vorgeschriebene Verfahren gegen Kinder un 
ter 14 Jahren ist obige Erläuterung nicht zu beziehen. 
Dresden, den 5ten August 1841. 
Ministerium des Innern. 
Nostitz und Jänckendorf. 
Stelzner.
	        
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