Contents: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1851 Demokratische Forderungen. 101 
ausübenden Organs für den souveränen Willen des Volkes 
oder der Volksvertretung herabzudrücken, durch Beschränkung 
auf ein bloß ausschiebendes Veto bei der Gesetzgebung, durch 
unbeschränktes Steuerverweigerungsrecht der Volkskammer, 
durch Verpflichtung aller Beamten und Officiere auf die 
Verfassung, durch Überweisung wichtiger Verwaltungszweige 
an gewählte Behörden. 
Diese mächtige, die Regierung lenkende Volksvertretung 
sollte dann ihrerseits wieder von dem souveränen Volke ab— 
hängig bleiben vermittelst der Ertheilung gleiches allgemeines 
Stimmrechts bei kurzen Wahlperioden, durch unbeschränkte 
Ausübung des Vereins= und Versammlungsrechts, durch un- 
bedingte Preßfreiheit und höchst beschränkte Polizeigewalt. 
Nach dem Grundsatz der Gleichheit sollten alle Standes- 
vorrechte abgeschafft, und der Adel, wenn nicht einfach auf- 
gehoben, doch seiner bisherigen Privilegien verlustig werden. 
Die Kirche würde in ihren äußern Rechtsverhältnissen zum 
Gehorsam gegen die Gesetze des demokratischen Staats ver- 
pflichtet, Wissenschaft und Schule von jedem kirchlichen Ein- 
fluß befreit, und niemand zu einem religiösen Bekenntniß 
genöthigt werden. 
Zu vollständiger Verwirklichung war dies System wohl 
an keiner Stelle gelangt, aber in zahlreichen Staaten doch so 
weit durchgedrungen, daß der 1848 plötzlich eintretende Zu- 
sammenbruch der bisherigen Autoritäten, die Überfluthung mit 
neuen, oft provisorischen und unfertigen Gesetzen und die 
legalisirte Ungebundenheit der Volksmassen eine große Ver- 
wirrung und Unsicherheit in allen Verwaltungszweigen, neben 
Rechtsbrüchen und Gewaltthaten aller Art hervorgerufen hatte. 
Daß hier Abhülfe an hundert Stellen nöthig war, ist ebenso
	        
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