Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1855. (21)

( 233) 
Art. 195. 
Menschenhandel. 
Eltern und die deren Stelle vertretenden Personen, welche ihre Kinder oder Pfleg- 
befohlenen anderen Personen zu den im vorigen Artikel unter 1 gedachten Zwecken über- 
lassen, sind, gleich diesen letzteren Personen, mit den daselbst angedrohten Strafen zu belegen. 
Wenn Kinder unter vierzehn Jahren von Seiten der Eltern, oder solcher Personen, 
welche die Stelle derselben zu vertreten haben, aus gewinnsüchtiger Absicht, den im vor- 
stehenden Artikel unter 2 genannten, oder anderen Personen zu den ebendaselbst angegebe- 
nen Zwecken überlassen werden, so sind die Ueberlasser mit Arbeitshaus oder Zuchthaus 
bis zu zwei Jahren, die Annehmer mit Gefängniß bis zu vier Monaten zu bestrafen. Die 
ohne gewinnsüchtige Absicht erfolgte Ueberlassung von dergleichen Kindern an die unter 2 
erwähnten Personen wird an den Ueberlassern mit Gefängniß von sechs Wochen bis zu 
einem Jahre und an den Annehmern mit Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft, insofern 
nicht, so viel den letzteren Fall anlangt, die Behörde die Genehmigung zu der Ueberlassung 
an solche Personen, welche nicht als Bettler oder Landstreicher zu betrachten sind, ertheilt hat. 
Art. 196. 
Gewalt in Hinsicht auf Religionsänderung. 
Wer Kinder unter vierzehn Jahren in der Absicht, sie einer anderen Religion oder 
Confession, als in der sie sich befinden, zuzuführen, oder die beabsichtigte Aenderung dersel- 
ben zu verhindern, der Gewalt ihrer Eltern, oder der die Stelle derselben vertretenden 
Personen, wider den Willen der Eltern, der Wahleltern, oder des Vormundes, entzieht, ist 
mit Gefängniß bis zu zwei Jahren zu bestrafen. 
Art. 197. 
Widerrechtliche Freiheitsberaubung. 
Wer widerrechtlich einen Menschen durch Einsperrung oder auf andere Weise der per- 
sönlichen Freiheit beraubt, oder dessen Verhaftung oder Enthaltung in einem öffentlichen 
Gefängnisse durch wissentlich unwahre Angaben oder sonst auf rechtswidrige Weise veran- 
laßt, ist nach Verhältniß der Dauer und der Art der Freiheitsberaubung mit Gefängniß 
bis zu zwei Jahren oder mit Arbeitshaus bis zu sechs Jahren zu bestrafen. 
Hat aber Jemand unter dem erdichteten Vorwande einer Geisteskrankheit die Enthalt- 
ung eines Anderen in einer Irrenanstalt veranlaßt, so ist auf Arbeitshaus oder Zuchthaus 
bis zu zwölf Jahren zu erkennen. 
Art. 198. 
Insonderheit durch Beamte. 
Auf Beamte, welche ihr Amt zu einer widerrechtlichen Freiheitsberaubung gemißbraucht 
haben, leidet die im vorigen Artikel getroffene Bestimmung dann Anwendung, wenn sie 
1855. 38
	        
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