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Zweites Capitel.
Von dem Verfahren bei der Hauptverhandlung.
Art. 275.
Eröffnung der Hauptverhandlung.
Nachdem zu der für die Verhandlung der Sache festgesetzten Zeit der Vertheidiger
und der Staatsanwalt in dem Gerichtssaale sich eingefunden haben und dahin die etwaigen
zur Beweisführung erforderlichen Gegenstände gebracht worden sind, verfügt sich auch das
Gericht in den Gerichtssaal.
Der Vorsitzende erklärt mit kurzer Bezeichnung des Gegenstandes der Verhandlung
die Sitzung für eröffnet und läßt den Angeklagten in die Sitzung einführen.
Derselbe erscheint ungefesselt.
Der Vorsitzende kann jedoch etwaige Sicherheitsmaaßregeln und im Falle besonderer
Gefährlichkeit des Angeklagten ausnahmsweise selbst die Fesselung desselben anordnen. ·
Art. 276.
Zeugen und Sachyverständige.
Die erschienenen Zeugen und Sachverständigen werden aufgerufen und hierauf ange—
wiesen, in das Zeugenzimmer sich zu begeben. Die Zeugen dürfen vor ihrer Befragung
sich nicht über ihr Zeugniß unter einander besprechen und nicht nach außen verkehren und
sind demgemäß zu bedeuten. Der Vorsitzende ordnet erforderlichen Falls die zur Verhütung
solcher Besprechungen nöthigen Maaßregeln an und kann namentlich auch verfügen, daß
einzelne Zeugen vor ihrer Abhörung von einander gesondert werden. (Vergl. Art. 323)
Die Vorschriften der Art. 184, 211 wegen Entschädigung der Zeugen und Sachver—
ständigen leiden auch auf die Hauptverhandlung Anwendung. (Vergl. noch Art. 261,265)
Art. 277.
Amtsbefugnisse des Vorsitzenden.
Der Vorsitzende hat das ganze Verfahren zu leiten, den Angeklagten zu vernehmen,
die Zeugen und Sachverständigen zu befragen und sowohl die Reihenfolge der vorzuneh-
menden Handlungen, als auch, insoweit nicht das Gesetz besondere Vorschriften enthält,
die Ordnung zu bestimmen, in welcher diejenigen, die das Wort begehren, zu sprechen haben.
Insonderheit hat er auch, wenn das Verweisungserkenntniß auf die Anschuldigung
mehrerer Verbrechen gerichtet ist, zu bestimmen, ob die mehreren Anschuldigungen gleich-
zeitig oder in welcher Reihenfolge sie verhandelt werden sollen.
Nicht minder bestimmt er bei mehreren Angeklagten die Reihenfolge, in der sie ver-
nommen werden.
Er ist verpflichtet, nach allen Kräften die Wahrheit, es sei zum Nachtheile oder zum