Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1856. (22)

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Soweit hiernach die Verpflichtung der Staatscasse zur Uebertragung der Defensiona— 
lien in zweiter Instanz anzuerkennen ist, erstreckt sie sich, gleichviel, ob die zweite Instanz 
bei dem Oberappellationsgerichte oder dem Bezirksgerichte stattfindet, auf alle Handlun— 
gen des Vertheidigers, welche er nach Bekanntmachung des erstinstanzlichen Erkenntnisses, 
von seiner Bestellung an, zu Gunsten seines Defendenden vorgenommen hat. Insbeson— 
dere gehört hierher die Einwendung und Ausführung von Rechtsmitteln in schriftlichen 
Eingaben, sowie die Abwartung von Verhandlungsterminen. 
#52. Bei Gesuchen um Begnadigung findet eine Erstattung der Defensionalien aus 
der Staatscasse nur in den Fällen Statt, in welchen auf Todesstrafe erkannt worden ist. 
(Vergl. & 74 der Ausführungsverordnung vom Züsten Juli 1856). 
& 53. Soviel das Gesuch eines Angeklagten um Wiederaufnahme einer 
durch Enderkenntniß entschiedenen Untersuchung anlangt, so kann der Vertheidiger die Er- 
stattung seiner Kosten für dasselbe aus der Staatscasse verlangen, wenn in dem Ender- 
kenntnisse, gegen welches um Wiederaufnahme nachgesucht wird, rechtskräftig auf Todes-, 
Zuchthaus= oder eine vierjährige oder höhere Arbeitshausstrafe erkannt worden war. 
Die Verpflichtung der Staatscasse zur Erstattung erstreckt sich in diesem Falle auf die 
Kosten, welche von dem Vertheidiger für das Gesuch um Wiederaufnahme, sowie, dafern 
ein Verhandlungstermin nach Art. 397, Abs. 2, 3 der Strafproceßordnung von dem 
Oberappellationsgerichte oder dem Bezirksgerichte angeordnet worden ist, für Abwartung 
desselben verdient worden sind. 
54. Wird eine durch Enderkenntniß entschiedene Untersuchung wieder aufgenom- 
men, gleichviel, ob die Wiederaufnahme in Folge Allerhöchster Verfügung (Art. 387 
Schlußsatz, der Strafproceßordnung) oder in Folge eines Antrags der Staatsanwaltschaft 
oder des Angeschuldigten (Art. 39 4 der Strafproceßordnung) erfolgt, und daher ein an- 
derweites Verfahren eingeleitet, so ist die Frage, ob die Uebertragung der in demselben 
erwachsenden Defensionalien aus der Staatscasse beansprucht werden könne, ebenso, als 
ob die Untersuchung zum ersten Male zur Verhandlung, beziehendlich zur Entscheidung ge- 
bracht würde, zu entscheiden. 
55. Die Schlußbestimmung des vorigen Paragraphen ist auch anzuwenden, wenn 
in Folge Allerhöchster Verfügung (Art. 319 der Strafproceßordnung, Schlußsatz) eine 
anderweite Hauptverhandlung vorgenommen oder wenn in Folge eingewendeter Nichtig- 
keitsbeschwerde die Untersuchung zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung oder nur 
zu letzterer zurückgewiesen wird. 
56. Von der Uebertragung der Defensionalien aus der Staatscasse sind jedenfalls 
solche Kosten ausgeschlossen, welche durch etwaiges pflichtwidriges Verhalten oder durch 
Versäumnisse des Vertheidigers entstanden sind.
	        
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