Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1859. (25)

(c 263 ) 
Der Unterricht im Orgelspiele soll die Seminaristen befähigen, einst das Amt eines 
Organisten würdig zu verwalten. Dazu gehört mindestens, daß dieselben jeden ausgesetzten 
Choral nach dem Hillerschen oder einem ähnlichen Choralbuche, sowie gedruckte einfache Zwi- 
schen= und leichte Vorspiele mit kunstgemäßem Vortrage vom Blatte spielen lernen. Die Ge- 
schicklichkeit, gute Zwischenspiele und kurze, durchaus kirchlich gehaltene Vorspiele selbst zu er- 
finden, ist wünschenswerth und wird darum ebenfalls, jedoch nur bei dazu hinreichend begabten 
Zöglingen, ernstlich anzustreben sein. 
Dem Unterrichte ist eine gute Orgelschule zu Grunde zu legen, welche von den elementa- 
ren Manual= und Pedalübungen ausgehend, nach instructiver Methode zum Vortrage von 
Orgelcompositionen verschiedener Form führt und auch für höhere technische Leistungen, welche 
jedoch nur mit gut befähigten Schülern erreicht werden können, einen sicheren Weg bahnt.- 
Sobald die elementaren Uebungen der Schüler absolvirt sind, was in der Regel nach einem 
halben Jahre möglich sein wird, tritt das Choralspiel als stehende Uebung ein und wird mit 
den Uebungen der Orgelschule bis zum Schlusse der Seminarbildungszeit fortgesetzt. 
Außerdem ist ein kurzer Unterricht über den Bau der Orgel, sowie über die bei diesem 
Instrumente vorkommenden Fehler und deren Abstellung zu ertheilen. 
Der Unterricht im Gesange ist für den künftigen Beruf in Kirche und Schule von gro- 
ßer Bedeutung und überdieß als eins der wichtigsten Mittel zu behandeln, in sittlicher und 
Ssthetischer Beziehung veredelud und bildend auf das Gemüth der Seminarzöglinge einzuwirken. 
Der Gesanglehrer hat daher vor Allem die technische Ausbildung der Stimme und des Gehörs 
durch wohlgeordnete Uebungen in der Tonbildung und im Treffen zu pflegen, demnächst aber 
als Hauptaufgabe anzusehen, daß, so lange es noch an einem Landesgesangbuche feblt, jeder 
Schüler von den in den Gesangbüchern des Bezirks gangbarsten Choralmelodieen in der 
Regel 60— 70 auswendig, die übrigen aber sicher von Noten singen lerne. Endlich sind, 
wie gute Lieder, so insbesondere geistliche Figuralgesänge zu üben und dadurch die Zöglinge 
nicht nur in Bekanntschaft mit hierher gehörigen guten Tonerzeugnissen zu setzen, sondern auch 
zu passenden Wahlen für festliche Gelegenheiten zu befähigen. 
Der Unterricht im Generalbaß hat zunächst ein einfaches theoretisches Verständniß der- 
jenigen Tonstücke zu vermitteln, die der Schullehrer als Gesanglehrer, Cantor und Organist 
einzuüben oder vorzutragen hat; sodann soll er die dazu befähigten Schüler zu correcter In- 
vention einfacher Vor= und Zwischenspiele für die Orgel führen. 
Die Unterweisung hat sich nur innerhalb des reinen Satzes zu bewegen und da zu be- 
handeln: die Lehre von den Tonleitern und Intervallen, von den Accorden und deren Verbind- 
ung zu musikalischen Sätzen, von der Modulation, von den Cadenzen und Nebennoten. In 
den practischen Arbeiten ist in der Regel über den einfachen Choralsatz für vier Stimmen und 
die Anfertigung von ganz einfachen Vor= und Zwischenspielen nicht hinauszugehen.
	        
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