Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1862. (28)

Verfahren im 
Verhandlungs- 
termine. 
Fortsetzung. 
Entscheidung 
über die 
Berufung. 
Besondere 
Bestimmungen 
in Bezug auf 
Nichtigkeiten. 
( 178) 
6s 322. Das Oberkriegsgericht hört in dem Verhandlungstermine zunächst den Vortrag 
eines seiner rechtskundigen Mitglieder über den Sachstand und die Ausführungen und Anträge 
des Vertheidigers. 
Sodann erfolgen die für den Zweck der Verhandlung (§ 320) erforderlichen Vernehm- 
ungen, Abhörungen und Gegenüberstellungen, wobei die einschlagenden, für die Schlußverhand- 
lung ertheilten Bestimmungen ebenfalls anzuwenden sind. 
Es stehen auch sonst dem Vorsitzenden und dem Gerichte alle Befugnisse zu, welche in 
Capitel ll. dieser Abtheilung dem Vorsitzenden des Spruchkriegsgerichts, dem letzteren selbst und 
dem verhandelnden Auditeur beigelegt worden sind. 
*323. Am Schlusse der Verhandlung bat der Vorsitzende die Ergebnisse derselben in 
einer gedrängten Darstellung zusammenzufassen und sodann dem Angeschuldigten, wenn dieser 
erschienen ist, und dem Vertheidiger das Wort zu Ausführung ihrer Anträge zu ertheilen. 
Den Bestimmungen in § 262 Schlußs., §§ 283, 284, 286 ist, soweit sie Anwendung 
leiden können, hier ebenfalls nachzugehen. 
324. Das Oberkriegsgericht kann das erstgerichtliche Erkenntniß nicht zum Nachtheile 
des Angeschuldigten abändern. 
Dasselbe kann auf die Berufung (§ 315, Ay, wenn sie nicht lediglich auf den Kosten- 
punkt beschränkt ist, die thatsächlichen Feststellungen des erstgerichtlichen Erkenntnisses seiner 
Prüfung unterwerfen und daher ebenso eine für bewiesen erachtete Thatsache für unbewiesen, 
wie eine für nicht bewiesen erachtete Thatsache für bewiesen ansehen, nicht minder auch aus 
den thatsächlichen Feststellungen des erstgerichtlichen Erkenntnisses andere Schlußfolgerungen, 
als im letzteren geschehen, ziehen und hiernach das Erkenntniß abändern. Vergl. jedoch 
§ 327 Absk. 1. 
In gleicher Maaße kann dasselbe, unter der im vorigen Absatze gedachten Voraussetzung, 
auch die dem erstgerichtlichen Erkenntnisse unterliegende Rechtsansicht seiner Prüfung unter- 
werfen und zu Gunsten des Angeschuldigten sowohl die Strafverfolgung für rechtlich unzulässig, 
als auch eine mildere Strafbestimmung für anwendbar erklären und hiernach das Erkenntniß 
abändern. 
Auch kann es auf eine geringere Strafe auch ohne anderweite Beweisaufnahme erkennen. 
* 325. Ob bei einer Schlußverhandlung alle wesentliche Förmlichkeiten des Verfahrens 
beobachtet worden sind, ist nach den über die Verhandlung und die darauf gefolgte Berathung 
und Abstimmung aufgenommenen Protocollen (§4 286, 287) zu beurtheilen. 
Verletzungen, welche daraus sich ergeben, sind von dem Oberkriegsgerichte auch dann zu 
berücksichtigen, wenn sie von keiner Seite gerügt worden sind (vergl. noch § 70).
	        
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