Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1864. (30)

— 330 — 
□ 
Verordnung 
an sämmtliche Kreisdirectionen. 
Ven den Kreisdirectionen zu Budissin, Zwickau und Leipzig sind verschiedene Zweifel und 
Anfragen rücksichtlich analoger Anwendung des neuen Strafgesetzbuchs und der Strafproceß= 
ordnung auf die Polizeistrafsachen erhoben und dem Ministerium des Innern zur Entschließung 
vorgelegt worden, worauf das Letztere, nach vorheriger Vernehmung mit dem Justizministerium, 
den Kreisdirectionen Nachstehendes eröffnet: " 
Was zunächst das neue Strafgesetzbuch anlangt, so befindet man, daß aus gleichen 
Gründen, aus welchen durch die Generalverordnung vom 5ten December 1839 die analoge 
Anwendung des ersten Theiles des Criminalgesetzbuchs vom Jahre 1838 auf Polizeistrafsachen 
angeordnet wurde, auch der erste Theil des neuen Strafgesetzbuchs auf Polizeistrafsachen in 
analoge Anwendung zu bringen ist, zumal da bereits im § 5 der Publicationsverordnung 
vom 13ten August 1855 die Anwendung einiger Artikel jenes ersten Theiles des Straf- 
gesetzbuchs, welche sich auf die Zuerkennung und resp. Verwandlung von alternativ angedrohten 
Gefängniß= oder Geldstrafen, und Gefängniß= oder Handarbeitsstrafen beziehen, unter anderen 
auch auf die im § 3 sub 7 erwähnten Polizeistrafsachen ausdrücklich vorgeschrieben worden ist. 
Im Uebrigen versteht es sich aber von selbst, daß jene analoge Anwendung nicht von allen, 
sondern nur von denjenigen Vorschriften des ersten Theiles des Strafgesetzbuchs gelten kann, 
welche, ihrem Inhalte und Wesen nach, überhaupt auf jede unerlaubte und verpönte Handlung 
und deren Bestrafung einer allgemeinen Anwendung fähig sind, so daß es dem umsichtigen 
Ermessen der Polizeibehörden überlassen bleiben muß, von jener subsidiarischen Anwendung 
in solchen Fällen abzusehen, in welchen die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs einer Seits 
offenbar nur im Zwecke und in den Bedürfnissen des eigentlichen Strafrechts und des Straf- 
verfahrens begründet, und anderer Seits mit dem Wesen und der Eigenthümlichkeit der Straf- 
rechtspflege in Polizeisachen unvereinbar sind. 
Was aber demnächst die von den Kreisdirectionen in Frage gebrachte Anwendung der 
neuen Strafproceßordnung auf Polizeistrafsachen betrifft, so erscheint es bedenklich, 
dieselbe oder auch nur einzelne Theile derselben auf die letzteren anwenden zu lassen. Viel- 
mehr hat es so lange, bis künftig im legislatorischen Wege hierunter etwas Anderes bestimmt 
werden wird, bei der im § 34 des Gesetzes vom 30sten Januar 1835 Sub D enthaltenen 
Vorschrift, wonach dieses Verfahren „summarisch, nach dem in hiesigen Landen üblichen 
Dennnciations= oder Rügenprocesse“ sein soll, in der Maße zu bewenden, daß unter dem 
letzteren der zur Zeit der Publication des nurgedachten Gesetzes und bis zum
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.