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Verordnung
an sämmtliche Kreisdirectionen.
Ven den Kreisdirectionen zu Budissin, Zwickau und Leipzig sind verschiedene Zweifel und
Anfragen rücksichtlich analoger Anwendung des neuen Strafgesetzbuchs und der Strafproceß=
ordnung auf die Polizeistrafsachen erhoben und dem Ministerium des Innern zur Entschließung
vorgelegt worden, worauf das Letztere, nach vorheriger Vernehmung mit dem Justizministerium,
den Kreisdirectionen Nachstehendes eröffnet: "
Was zunächst das neue Strafgesetzbuch anlangt, so befindet man, daß aus gleichen
Gründen, aus welchen durch die Generalverordnung vom 5ten December 1839 die analoge
Anwendung des ersten Theiles des Criminalgesetzbuchs vom Jahre 1838 auf Polizeistrafsachen
angeordnet wurde, auch der erste Theil des neuen Strafgesetzbuchs auf Polizeistrafsachen in
analoge Anwendung zu bringen ist, zumal da bereits im § 5 der Publicationsverordnung
vom 13ten August 1855 die Anwendung einiger Artikel jenes ersten Theiles des Straf-
gesetzbuchs, welche sich auf die Zuerkennung und resp. Verwandlung von alternativ angedrohten
Gefängniß= oder Geldstrafen, und Gefängniß= oder Handarbeitsstrafen beziehen, unter anderen
auch auf die im § 3 sub 7 erwähnten Polizeistrafsachen ausdrücklich vorgeschrieben worden ist.
Im Uebrigen versteht es sich aber von selbst, daß jene analoge Anwendung nicht von allen,
sondern nur von denjenigen Vorschriften des ersten Theiles des Strafgesetzbuchs gelten kann,
welche, ihrem Inhalte und Wesen nach, überhaupt auf jede unerlaubte und verpönte Handlung
und deren Bestrafung einer allgemeinen Anwendung fähig sind, so daß es dem umsichtigen
Ermessen der Polizeibehörden überlassen bleiben muß, von jener subsidiarischen Anwendung
in solchen Fällen abzusehen, in welchen die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs einer Seits
offenbar nur im Zwecke und in den Bedürfnissen des eigentlichen Strafrechts und des Straf-
verfahrens begründet, und anderer Seits mit dem Wesen und der Eigenthümlichkeit der Straf-
rechtspflege in Polizeisachen unvereinbar sind.
Was aber demnächst die von den Kreisdirectionen in Frage gebrachte Anwendung der
neuen Strafproceßordnung auf Polizeistrafsachen betrifft, so erscheint es bedenklich,
dieselbe oder auch nur einzelne Theile derselben auf die letzteren anwenden zu lassen. Viel-
mehr hat es so lange, bis künftig im legislatorischen Wege hierunter etwas Anderes bestimmt
werden wird, bei der im § 34 des Gesetzes vom 30sten Januar 1835 Sub D enthaltenen
Vorschrift, wonach dieses Verfahren „summarisch, nach dem in hiesigen Landen üblichen
Dennnciations= oder Rügenprocesse“ sein soll, in der Maße zu bewenden, daß unter dem
letzteren der zur Zeit der Publication des nurgedachten Gesetzes und bis zum