Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1876. (42)

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Die Staatsregierung darf provisorische Verfügungen treffen, wenn der Mißbrauch 
der kirchlichen Straf- und Zuchtgewalt ein Civil- oder Strafverfahren begründet. 
8 10. Die Kirche darf zu Vollziehung ihrer Straf- oder Zuchtmittel niemals 
äußeren Zwang anwenden. 
8 11. Von den Staatsbehörden dürfen Disciplinarstrafen wider Geistliche oder 
andere Kirchendiener vollstreckt werden, wenn die Strafe von der zuständigen inländischen 
Behörde erkannt worden, dem Erkenntnisse ein geordnetes Verfahren vorausgegangen, 
und die Strafe vom staatlichen Gesichtspunkte nicht zu beanstanden ist. 
Jede, auf zeitweilige oder gänzliche Entfernung aus dem Amte lautende Discipli— 
narentscheidung ist der Staatsregierung sofort anzuzeigen. Der Anzeige ist Abschrift 
des Erkenntnisses und der Entscheidungsgründe beizufügen. 
12. Zu Führung kirchlicher Disciplinaruntersuchungen dürfen Staatsbehörden 
mitwirken, wenn im gegebenen Falle vom staatlichen Gesichtspunkte kein Bedenken 
begründet ist. 
Personen, welche nicht der katholischen Geistlichkeit angehören, dürfen nur von der 
Staatsbehörde abgehört oder vernommen werden. 
13. Ein Geistlicher oder anderer Kirchendiener, welcher rechtskräftig zu Zucht- 
hausstrafe oder dem Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte oder dem der öffentlichen 
Aemter verurtheilt worden ist, ist von der ihm vorgesetzten kirchlichen Behörde seines 
Amtes zu entsetzen. 
Für alle staatlichen Beziehungen hat eine solche Verurtheilung die Erledigung der 
Stelle, die Unfähigkeit zur Ausübung des geistlichen Amtes und den Verlust des Amts- 
einkommens von Rechtswegen zur Folge. 
14. Außer dem Falle einer Verurtheilung im Sinne § 13 kann die Staats- 
regierung die Amtsentlassung eines Geistlichen oder anderen Kirchendieners verlangen, 
wenn sich derselbe wiederholt grober Verletzung der auf sein Amt oder seine geistlichen 
Amtsverrichtungen bezüglichen Vorschriften der Staatsgesetze oder der auf Grund der- 
selben von den zuständigen Behörden erlassenen Anordnungen schuldig macht, und in 
dessen Folge sein ferneres Verbleiben im Amte als der öffentlichen Ordnung gefährlich 
erscheint. 
Wird diesem Verlangen nicht in angemessener Frist von der katholisch-geistlichen 
Behörde gefügt, so kann die Staatsregierung für alle staatlichen Beziehungen die Stelle mit 
den in § 13, Abs. 2 gedachten Wirkungen für erledigt erklären. 
* 15. Unabhängig von der kirchlichen Disciplinargewalt besteht das Befugniß 
der Staatsregierung, einem Geistlichen oder anderen Kirchendiener die ihm vermöge 
Gesetzes oder besonderen Auftrags übertragenen staatlichen Geschäfte zu entziehen und 
einem Anderen zu übertragen.
	        
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