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Die Staatsregierung darf provisorische Verfügungen treffen, wenn der Mißbrauch
der kirchlichen Straf- und Zuchtgewalt ein Civil- oder Strafverfahren begründet.
8 10. Die Kirche darf zu Vollziehung ihrer Straf- oder Zuchtmittel niemals
äußeren Zwang anwenden.
8 11. Von den Staatsbehörden dürfen Disciplinarstrafen wider Geistliche oder
andere Kirchendiener vollstreckt werden, wenn die Strafe von der zuständigen inländischen
Behörde erkannt worden, dem Erkenntnisse ein geordnetes Verfahren vorausgegangen,
und die Strafe vom staatlichen Gesichtspunkte nicht zu beanstanden ist.
Jede, auf zeitweilige oder gänzliche Entfernung aus dem Amte lautende Discipli—
narentscheidung ist der Staatsregierung sofort anzuzeigen. Der Anzeige ist Abschrift
des Erkenntnisses und der Entscheidungsgründe beizufügen.
12. Zu Führung kirchlicher Disciplinaruntersuchungen dürfen Staatsbehörden
mitwirken, wenn im gegebenen Falle vom staatlichen Gesichtspunkte kein Bedenken
begründet ist.
Personen, welche nicht der katholischen Geistlichkeit angehören, dürfen nur von der
Staatsbehörde abgehört oder vernommen werden.
13. Ein Geistlicher oder anderer Kirchendiener, welcher rechtskräftig zu Zucht-
hausstrafe oder dem Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte oder dem der öffentlichen
Aemter verurtheilt worden ist, ist von der ihm vorgesetzten kirchlichen Behörde seines
Amtes zu entsetzen.
Für alle staatlichen Beziehungen hat eine solche Verurtheilung die Erledigung der
Stelle, die Unfähigkeit zur Ausübung des geistlichen Amtes und den Verlust des Amts-
einkommens von Rechtswegen zur Folge.
14. Außer dem Falle einer Verurtheilung im Sinne § 13 kann die Staats-
regierung die Amtsentlassung eines Geistlichen oder anderen Kirchendieners verlangen,
wenn sich derselbe wiederholt grober Verletzung der auf sein Amt oder seine geistlichen
Amtsverrichtungen bezüglichen Vorschriften der Staatsgesetze oder der auf Grund der-
selben von den zuständigen Behörden erlassenen Anordnungen schuldig macht, und in
dessen Folge sein ferneres Verbleiben im Amte als der öffentlichen Ordnung gefährlich
erscheint.
Wird diesem Verlangen nicht in angemessener Frist von der katholisch-geistlichen
Behörde gefügt, so kann die Staatsregierung für alle staatlichen Beziehungen die Stelle mit
den in § 13, Abs. 2 gedachten Wirkungen für erledigt erklären.
* 15. Unabhängig von der kirchlichen Disciplinargewalt besteht das Befugniß
der Staatsregierung, einem Geistlichen oder anderen Kirchendiener die ihm vermöge
Gesetzes oder besonderen Auftrags übertragenen staatlichen Geschäfte zu entziehen und
einem Anderen zu übertragen.