— 712 —
& 115. Kirchengesetz,
einige Bestimmungen über die Aufrechterhaltung kirchlicher Ordnung betreffend;
vom 1. December 1876.
Die in Evangelicis beauftragten Staatsminister verordnen unter Zustimmung der
evangelisch-lutherischen Landessynode, wie folgt:
& 1. Dafern evangelisch-lutherische Gemeindemitglieder nach erfolgter Eingehung
der Ehe vor dem Standesbeamten die kirchliche Trauung unterlassen, so hat zunächst
der zuständige Geistliche dieselben zur Erfüllung ihrer kirchlichen Pflicht seelsorgerisch zu
ermahnen. Wenn dies ohne Erfolg bleibt, so hat der Kirchenvorstand in gleicher Richt-
ung vermittelnd einzuwirken.
Beides hat auch im Falle der Verzögerung der Taufe oder der Verweigerung der
Confirmation eines Kindes evangelisch-lutherischer Eltern zu geschehen.
Uebrigens kann, wo die örtlichen Verhältnisse dies räthlich erscheinen lassen, die
vermittelnde Einwirkung des Kirchenvorstands der seelsorgerlichen Ermahnung auch
vorangehen.
& 2. Bleibt auch das vermittelnde Einschreiten des Kirchenvorstands ohne Erfolg,
so verlieren Diejenigen, welche die Taufe oder die Trauung unterlassen oder die Con-
firmation ihrer Kinder verweigern, die Stimmberechtigung und die Wählbarkeit bei
den Kirchenvorstandswahlen, soweit sie dieselbe nach § 8 der Kirchenvorstands= und
Synodalordnung vom 30. März 1868 (Seite 206 fg., I. Abtheilung des Gesetz= und
Verordnungsblattes vom Jahre 1868) überhaupt besitzen, sowie die Fähigkeit zur Ueber-
nahme eines anderen kirchlichen Ehrenamts, ingleichen sind Diejenigen, welche bereits
ein solches bekleiden, desselben zu entheben.
Hierbei kommen die Bestimmungen in § 8, beziehentlich § 29 der Kirchenvorstands-
und Synodalordnung zur Anwendung.
63. Die Unterlassung der Taufe oder kirchlichen Trauung oder die Verweiger-
ung der Confirmation zieht die Ausschließung von dem Rechte, Pathenstelle bei der
Taufe eines Kindes zu vertreten, nach sich.
Hierüber ist von der betreffenden Kircheninspection Entschließung zu fassen.
# 4. Die in §§ 2 und 3 bestimmten Rechtsnachtheile sind zu verhängen, wenn
ungeachtet der § 1 gedachten Ermahnung die Taufe oder kirchliche Trauung nach Ab-
lauf von sechs Monaten nach der Geburt des Kindes, beziehentlich nach der Eheschließ-
ung vor dem Standesbeamten noch nicht erfolgt ist, ingleichen wenn entweder die Con-
firmation eines Kindes, jener Ermahnung ungeachtet, ausdrücklich verweigert oder das