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Das XIX. Armeekorps im Jahre 10135
Wir haben das XIX. Armeekorps bei der Jahreswende
in dem französischen Flandern verlassen. wo es dem tücki-
schen Wasser und feindlichen Feuer zum Trotz eine Stellung
geschaffen hatte, die sich der Feind die ganze folgende
Jeit wohl gehütet hat, direkt anzugreifen.
lber Veränderungen beim XIX. Armeekorps im Jahre
lols ist zu berichten:
I. Organisatorische Anderungen
Bei Gründung der §8. Division gab das XIX. Armee-
korps ab:
48. Infanteriebrigade,
1 Eskadron Ulanen 18,
1 Kanonenabteilung,
1 schwere Feldhaubitz-Batterie
und erhielt dafür 4800 Ergänzungsmannschaften, die auf
die verbleibenden 6 Infanterieregimenter so verteilt wurden,
daß die Kompagniestärke auf 300 Mann wucho. Diese
unhandliche Formation in der Hand ungeübter Führer zwang
zur Einteilung der Kompagnien in Halbkompagnien zu je
2 Zügen.
Da# XIX. Armeekorps hatte eine etwa 18 Kilometer breite
Front zu decken, die in 6 Abschnitte eingeteilt war:
134. Regiment am weitesten nördlich) auf belgischem
104. „ in der Mitte Boden nördlich
181. „ am weitesten südlich der Lys,
24. Divilion südlich der Lys auf franzöfsischem Gebiet.
Anfang Mai wurden aus den Ergänzungsomannschaften
13. und 14. Kompagnien gebildet und bald als 17. Infan-
terieregiment 133 zusammengestellt. Es erhielt in Lamber=
sart als Teil einer neuen Heeresreserve seine Ausbildung und
trat am 7. Juni zu einer neuen Brigade in Cambrai.
Am 31. Mai wurden 2 Infanterieregimenter des XIX.
Armeekorps als Armeereserve bei Haubourdin (südw. Aille)
herausgezogen und durch die um 3000 Mann schwächere
38. Landwehrbrigade (Landwehrregimenter 77 und 78) ersetzt.
Um die erhebliche Schwächung und die Ablösungen in
vorderster Linie möglichst wenig fühlbar zu machen, setzte das
Generalkommando die Landwehrbrigade an den wenigst
gefährdeten Abschnitten ein und zog dafür die Regimenter
133 und 134 nach Haubourdin. Das letztere Regiment
wurde jedoch bald dem VII. Armeekorps unterstellt.
Die Abgabe von etwa der Hälfte der Kolonnen und
Trains nach dem Osten machte eine Neueinteilung der
Train= und Munitions-Kolonnen-Stäbe erforderlich.
lII. Die taktischen Geschehnisse
beim XIX. Armeekorps im Verlaufe des Jahres 1015
stehen in engstem Zusammenhang mit den großen Durch-
bruchoversuchen der Engländer und Franzosen auf der
Westfront.
Der Gegner suchte sich für seine Frühjahrsangriffe 1915
hauptsächlich die Gegenden von Arras, bei der Loretto-
höhe sowie beiderseits des Kanals von La Bassée aus und
dehnte sie nordwärts bis Richebourg und Neuve-Chapelle
aus. Dort, in dem Großkampfgebiet des Jahres 1915,
fanden ansehnliche Teile des XIX. Armeekorpo schon im
Frühbjahr lols# Gelegenheit, ihren bedrängten deutschen
Kameraden andrer Korps in kritischer Zeit bräftig zur
Seite zu siehen und ibre besondere Eignung für den
Schützengrabenkampf, insbesondere auch ihre zähe Ausdauer
selbst bei verpweifeltster Kampflage zu erweisen.
Die Schlacht von La Bassée und Arras im Mai 1015
(Lorettoschlacht)
Die deutsche Heeresleitung hat noch während des Krieges
über die Kämpfe im Artois (Kriegsberichte Heft 10, ver-
öffentlicht im Juli und August #o15) eine Beschreibung
der Lorettoschlacht der Offentlichkeit übergeben. Nach der-
selben plante dort der Feind im Mai 915, die deutsche
Front zu durchstoßen, die verlorenen französischen Pro-
oinzen und Belgien zu befreien und den Krieg an den
Rhein zu tragen. Die Not der Russen, deren Armeen
soeben in Galizien zusammengebrochen waren, zwang die
Wesimächte, baldmöglichst einen entscheidenden Schlag auf
der Westfront herbeizuführen.
Als Gegend des großen Durchbruchs wurde von unseren
Feinden der Naum gewählt, wo Engländer und Franzosen
aneinandersileßen, die Landschaft Artois. Dort hatten südlich
von La Bassée bis Arras den Deutschen 31 französische
Armeeorps (58. und 92. Infanteriedivision, 21., 33. und
1/1 X. Armeeorps) bisher gegenübergestanden. Am 8. Mai
wurde dort als neuhinzugekommen das französische XVII.
Armeekorps festgestellt.
Seit 1. Mai lag schweres französisches Artilleriefeuer auf
der Lorettohöhe und auf dem nach Süden anschließenden
Abschnitt. Am 6. Mai wurden 13500 Schuß, am 8. Mai
17000 Schuß gegen die vordersten deutschen Linien ab-
gegeben. Dazu trat das Feuer schwerer Wurfminen, deren
am 8. Mal nicht weniger als 1800 gezählt wurden.
Am 9. Mai, einem schönen, schwülen Sonntag, begann
überraschend der große französische Angriff. Seit 4 Uhr
vormittags lag schwerstes Feuer auf den deutschen Stel-
lungen nördlich Arras. Gegen 9 Uhr vormittags setzte
dann der Infanterieangriff ein. Er brach in dem Abschnitt
nördlich der Scarpe in unserem Feuer zusammen. Haufen
von Toten und Verwundeten der französischen 19. Infan-
teriedivision und des XVII. Armeekorps lagen bald vor den
deutschen Drahthindernissen. Nur bei Noclincourt drangen
kleine Teile des Gegners in den deutschen Kampfgraben
ein. Bayrische Bajonette warfen ihn alsbald heraus.
In dem Abschnitt zwischen La Targette und Carency
vermochte die gewaltige Uberlegenheit der Franzosen, XX.
und XXXIII. Armeekorps und mitten zwischen ihnen die ma-
rokkanische Division, die schwache Besatzung der zertrümmer=
ten deutschen Gräben zu überrennen. Dort war tatsächlich die
zweite Stellung zunächst von Verteidigern entblößt. Die
Franzosen drangen auf der Hochfläche von La Folie vor und
näherten sich bereits dem Ostabfall der letzten Höhen vor
der großen Ebene von Douai. Auch gegen Norden gewannen
sie Boden, stürmten das Dorf Souchez, drangen über den
Carencybach und bedrohten die Lorettostellung der Deut-
schen von Süden, während das Dorf Carency durch die
französische 10. Infanteriedivision von Süden und Westen
angegriffen wurde.
Um 12 Uhr mittags schien hier der Durchbruch der Fran-
zosen gelungen zu sein. In einer Breite von 4 Kilometer
und einer Tiefe von 3 Kilometer war das Gelände zwi-
schen den Dörfern Neuville, Carency und Souchez in
ihrer Hand. Auch südlich Neuville war der Feind in
das Grabengewirr eingedrungen, das sein Bericht bezeichnen-
derweise „Labyrinth“ nannte. Aber die von der Über-
zahl fast erdrückten Bayern dachten nicht daran, die Stel-
lung zu räumen. In kleinen Trupps wehrten sie sich
in erbittertem Nahkampf gegen den von allen Seiten
andringenden Feind. Gegen die Front des Durchbruchs
warfen sich auf den Höhen westlich von Givenchy und
Vimy die Abschnittsreserven. Jeder Mann wußte, worum
es sich handelte. Wer eine Waffe hatte, schloß sich den
Grabenkämpfern an, selbst Mannschaften der Kolonnen,
Pferdewärter und Arbeiter.
Nach 1 Uhr nachmittags schien hier die erste Krisis
überwunden.
Nördlich davon bildete die Lorettohöhe das Hauptziel
des französischen Angriffs. Dort drangen augzrlesene