Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1894. (60)

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Die auf die Kranken bezüglichen zur Aufnahme in die ärztlichen Zeugnisse nicht 
geeigneten Familienverhältnisse sind dem Leiter der Privat-Irrenanstalt, welcher darüber 
die strengste Verschwiegenheit zu beobachten hat, besonders mitzutheilen. 
2. In ganz besonderen Ausnahmefällen, in denen die Zurückweisung eines der 
Anstalt unangemeldet zugeführten Geisteskranken offenbar nicht ohne dringende Gefahr 
für ihn selbst oder seine Begleitung thunlich sein sollte, darf die Aufnahme vorläufig 
ohne ärztliches Zeugniß erfolgen. Doch ist solchenfalls letzteres binnen 2 4 Stunden nach- 
träglich zu beschaffen, sofern dies aber unthunlich ist, die aufgenommene Person längstens 
innerhalb dreier Tage von dem zuständigen Bezirksarzte zu untersuchen und die Noth- 
wendigkeit ihrer Aufnahme in die Anstalt zu bescheinigen. 
Z. Bei Aufnahme beziehentlich Beibehaltung zu einer über vier Wochen andauern- 
den Verpflegung Geisteskranker ist vormundschaftliche Zustimmung, im Falle bestehender 
väterlicher Gewalt väterliche Zustimmung zu erfordern. 
4. Ist festgestellt worden, daß der in die Anstalt aufgenommene Kranke in der That 
geisteskrank ist, so hat der Leiter der Anstalt alsbald der Gerichtsbehörde des letzten Wohn- 
orts und in dessen Ermangelung des letzten Aufenthaltsortes des Aufgenommenen von 
dessen geistigen Erkrankung Anzeige zu erstatten. 
5. Die Entlassung des Geisteskranken aus der Anstalt hat zu erfolgen, wenn derselbe 
genesen ist oder sobald dessen gesetzlicher Vertreter beziehentlich unter Beitritt der Vor- 
mundschaftsbehörde die Entlassung verlangt. 
Gemeingefährliche Geisteskranke dürfen nur dann entlassen werden, wenn die Polizei- 
behörde seines künftigen Wohnorts bescheinigt, daß für genügende Beaufsichtigung und 
Sicherung des zu Entlassenden Sorge getragen sei. 
6. Sowohl über die Aufnahme jedes Kranken und zu Verpflegenden, also auch 
der nicht an eigentlicher Geisteskrankheit Leidenden, in die Anstalt als über die erfolgte 
Entlassung aus derselben ist der Polizeibehörde (Stadtrath, Bürgermeister, Gemeinde- 
vorstand, Gutsvorsteher) des Ortes, in welchem die Anstalt gelegen ist, binnen 24 Stunden 
schriftliche Anzeige zu erstatten. 
7. Ueber jeden in der Anstalt verpflegten Kranken sind gesonderte Personalakten, 
die den Aufnahmeantrag, das Aufnahmezeugniß, den Nachweis über erfolgte An= und 
Abmeldung sowie über etwaige Entmündigung zu enthalten haben, ebenso ein Kranken- 
journal mit vollständiger Krankengeschichte zu halten. Auch ist ein Hauptjournal über 
sämmtliche in der Anstalt aufgenommene und verpflegte Kranke zu führen. 
8. Die Beaufsichtigung der Privat-Irrenanstalten, sowie die erstinstanzliche Ent- 
schließung über Beschwerden, welche vom Betheiligten über die Leitungen dieser Anstalten 
erhoben werden, liegt der zuständigen Amtshauptmammnschaft beziehentlich dem Stadtrathe
	        
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