Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1897. (63)

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leistung bei der Geburt darf sie niemandem abschlagen, weder Armen, noch solchen, die 
mit ekelhaften oder ansteckenden Krankheiten behaftet sind. 
Falls jedoch in ihrer Wohnung ansteckende Krankheiten, wie Scharlach, Diphtherie 
oder Blattern ausgebrochen sind, hat sie sofort dem Bezirksarzte davon Anzeige zu erstatten, 
welcher im Einzelfalle entscheiden wird, ob beziehentlich unter welchen Voraussetzungen 
sie in dieser Zeit Geburten übernehmen darf. 
88. Ueber alles, was ihr bei Ausübung ihres Berufs bekannt wird, soll die 
Hebamme strenge Verschwiegenheit beobachten. Sie darf körperliche Gebrechen, Fehler 
oder Krankheiten ihrer Pfleglinge nicht weiter bekannt machen, wenn nicht durch die Ver— 
heimlichung Gefahr für die Gesundheit anderer Personen entsteht. Auch darf sie von 
den häuslichen Verhältnissen ihrer Pflegebefohlenen anderen nichts hinterbringen. 
89. Sollten ihr versuchte Abtreibung der Leibesfrucht, Kindestödtung, gefährliche 
Verletzung des Kindes oder andere dergleichen Verbrechen bekannt werden, so ist sie 
verpflichtet, sofort der Ortspolizeibehörde davon Anzeige zu machen. 
10. Wird sie zu einer Gebärenden verlangt, während sie bereits bei der Geburt 
einer anderen beschäftigt ist, so darf sie weder den Verlauf der vorliegenden Geburt be- 
schleunigen, noch eher fortgehen, als bis die Nachgeburt entfernt und alle Gefahr einer 
Nachblutung beseitigt ist. Sie hat vielmehr die zweite Gebärende an eine andere 
Hebamme zu verweisen, welche entweder nur einstweilen für sie eintritt, oder den Geburts- 
fall ganz übernimmt, wenn die Betreffenden es wünschen. Niemals darf die Hebamme 
zwei Geburten gleichzeitig zur Besorgung übernehmen. In dringenden Fällen, wenn 
eine andere Hebamme nicht schnell genug zu erlangen ist, soll sie dahin eilen, wo die 
Hülfe ihr am nöthigsten erscheint. 
Die Beistandleistung bei Geburten geht allen anderen Obliegen- 
heiten der Hebamme vor, also namentlich den Verrichtungen bei der Taufe, den 
Besuchen einer Wöchnerin oder Kranken, dem Baden eines Neugeborenen. 
8 11. Wenn die Hebamme von einer Behörde aufgefordert wird, den körperlichen 
Zustand einer für schwanger Gehaltenen oder sich dafür Ausgebenden, oder die Annahme, 
daß eine Frauensperson geboren habe, festzustellen, oder, wenn ihr andere in ihren Beruf 
einschlagende Fragen vorgelegt werden, so hat sie dasjenige, was sie bei sorgfältiger Unter- 
suchung gefunden hat, der strengsten Wahrheit gemäß anzugeben. 
*12. Wünscht eine Schwangere in der Wohnung der Hebamme ihre Niederkunft 
zu halten, so hat die Hebamme bei ihrer Anstellungsbehörde anzufragen, ob ihr das 
erlaubt werde. 
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