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sprache sowie ausreichende Kenntnis der mittelhochdeutschen Sprache und die
Fähigkeit, eine nicht besonders schwere Stelle aus dem Nibelungenliede, der
Gudrun, aus Hartmanns von der Aue oder Walthers von der Vogelweide
Gedichten richtig zu lesen und zu übersetzen; eingehendere Beschäftigung mit
klassischen Werken der neuern Litteratur, insbesondere aus ihren für die Jugend-
bildung verwendbaren Gebieten und Übersicht über den Entwickelungsgang der
neuhochdeutschen Litteratur. Außerdem ist Bekanntschaft mit den Grundzügen
der Rhetorik, Poetik und Metrik sowie mit den für die Schule wichtigen antiken
und germanischen Sagen darzuthun;
b) für die erste Stufe überdies: Ausreichende Kenntnis der alt= und mittel-
hochdeutschen Grammatik, um die neuhochdeutsche Laut-, Formen-, Wortbildungs-
und Satzlehre verstehen und geschichtlich begründen zu können, die Fähigkeit, die
Hauptwerke der mittelhochdeutschen Litteratur korrekt zu verstehen, eingehendere
Bekanntschaft mit dem Entwickelungsgange der gesamten deutschen Litteratur und
mit den Grundbegriffen der Rhetorik, Poetik und Metrik. Die Lehrbefähigung
für die erste Stufe kann nicht erteilt werden, wenn die in deutscher Sprache ab-
gefaßten Arbeiten und die mündliche Prüfung in Philosophie erwiesen haben,
daß der Kandidat nicht befähigt ist, allgemeine wissenschaftliche Fragen mit ein-
dringendem Verständnis in klarer Darstellung zu behandeln.
816.
Lateinisch und Griechisch.
Von Kandidaten, welche die Lehrbefähigung im Lateinischen und Griechischen
nachweisen wollen, ist zu fordern
a) für die zweite Stufe: Sichere Kenntnis der lateinischen und griechischen Gram—
1899.
matik und Übung im schriftlichen Gebrauche beider Sprachen bis zur Fertigkeit,
angemessene Vorlagen grammatisch richtig und, soweit es sich um das Lateinische
handelt, mit einiger stilistischen Gewandtheit zu übertragen. Die Kandidaten
müssen im Lateinischen jedenfalls Cäsar, Sallust, erhebliche Partien aus Livius,
von Cicero die wichtigeren Reden und einige seiner übrigen Schriften, von Virgil
mindestens die Aeneis, von Ovid die Metamorphosen sowie Elegien von ihm
oder andern Elegikern; im Griechischen Homer und Herodot, von Xenophon die
Anabasis und größere Stücke aus den Memorabilien und der Hellenika, ferner
Reden des Lysias sowie von Platon wenigstens die Apologie und den Kriton ge—
lesen haben. Mit den gelesenen Schriftwerken müssen die Kandidaten so vertraut
sein, daß sie über Inhalt, Anlage und Charakter derselben Bescheid zu geben
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