128 $ 4. Die Theorie G. Meyer’s. [32
Wort „allgemein“ darum, wenigstens ursprünglich, sicherlich
nicht, sondern eine Beschränkung, die von der Voraus-
setzung ausgeht, dass das Wort „Gesetz“ schlechthin mehr
umfasst, als das „allgemeine“ Gesetz, dass es auch nicht all-
gemeine „Gesetze“ giebt. Das beweist das allen diesen Ver-
fassungen vorhergehende Grundgesetz für das Grossherzogthum
Sachsen-Weimar vom 5. Mai 1816. Dasselbe spricht — $ 5
No. 6 — den Landständen zu: „das Recht an der Gesetz-
gebung in der Art Theil zu nehmen, dass neue Gesetze, welche
entweder die Landesverfassung betreffen oder die persönliche
Freiheit, die Sicherheit und das Eigenthum der Staatsbürger
in dem ganzen Lande oder in einer ganzen Provinz zum Gegen-
stand haben und eben deshalb das Allgemeine angehn,
ohne ihrer, der Landstände, vorgängigen Beirath und ihre Ein-
willigung nicht erlassen werden dürfen“ Hier ist offenbar
das „Allgemeine“ auch auf „partikuläre“ oder „singuläre“ Ge-
setze erstreckt, aber das blosse Individualgesetz wie das blosse
Ortsstatut fallen nicht darunter. Und so sagt jetzt das revi-
dirte Grundgesetz vom 15. Oktober 1850 zu grösserer Ver-
deutlichung: „Gesetze, welche nur für einzelne Korporationen
gelten sollen, können jedoch in Übereinstimmung mit der Kor-
poration und blosse Ortsgesetze in Übereinstimmung mit der
Gemeinde von dem Landesfürsten auch ohne Einwilligung des
Landtages erlassen werden.“
Aber das Hauptinteresse liegt bei der zweiten Gruppe
der Verfassungsgesetze, auf deren Boden allein unter dem hier
behandelten Gesichtspunkte die Streitfrage nach dem Umfange
der Mitwirkung der Volksvertretung praktische Bedeutung hat.
Sie fordern diese Mitwirkung zur Gesetzgebung, zum Gesetze
schlechthin, in emphatischer Weise zu jedem Gesetz. Ihr
Hauptbeispiel ist die preussische Verfassung, der in diesem
Punkte — vorbehaltlich selbstverständlich der materiellen Kom-
petenzabgrenzung im Verhältniss zu den Einzelstaaten — die
deutsche Reichsverfassung nachgebildet ist. Aber diese preus-
sische Verfassung nennt nun gerade in vollkommener Unter-
scheidungslosigkeit von den allgemeinen Gesetzen auch die