270 $& 16. Anwendung des Gesetzes. [174
Damit ist das Wesen des Indemnitätsgesetzes be-
zeichnet. Dasselbe beseitigt für den zutrefienden Fall die
Geltung der Rechtssätze, kraft deren von einem Organe
des Staates als dessen subjektives Recht eine Verantwortlich-
keit gegenüber einem andern Organe als dessen subjektive
Pflicht in Anspruch genommen werden kann und weil es diese
Rechtssätze ausser Anwendung setzt und beziehentlich durch
einen andern ersetzt, darum enthält es selbst Rechtssätze.
Eine Decharge oder Genehmigung dagegen ist die
Ausübung subjektiver Rechte auf Verantwortlichkeit sei-
ten eines Staatsorganes gegenüber einem subjektiv verpflich-
teten andern Organe auf Grund der zutreffenden Rechts-
sätze. Nur diese letztern Akte, die nirgends die Form des
Gesetzes, sondern immer nur die Form einseitiger Beschlüsse
des berechtigten Organes an sich tragen, könnten allein als
Rechtsgeschäfte, wenigstens in dem weiten Sinne Laband’s,
bezeichnet werden.
Der nämliche Unterschied, der zwischen einem Indemni-
tätsgesetz und einer Decharge oder Genehmigung obwaltet,
ist es auch — um noch dieses Beispiel heranzuziehn —, der
zwischen Begnadigungs- oder Abolitionsgesetzen und zwischen
Begnadigungs- oder Abolitionsakten des hierzu verfassungs-
mässig ermächtigten Staatsoberhauptes besteht.
Im Übrigen habe ich kein Bedürfniss, die Analyse, die
den positiven Gesetzen galt, zu erstrecken auf fingirte Bei-
spiele von Gesetzen, welche die Verleihung von Orden oder
die Ernennung von Beamten enthalten sollen. Denn was die
Analyse im Einzelnen ergeben hat, das ist nur das Wesen
des Gesetzes, das sich überall bethätigen muss und niemals
verleugnen kann.
Auch ein Gesetz kann um vorhergehender und der ge-
setzgeberischen Willensbildung vorgesetzter Rechtssätze willen,
es kann um seiner Formwidrigkeit oder um seiner inhaltlichen
Verfassungs-, insbesondere Kompetenzwidrigkeit willen ungiltig
und rechtsunverbindlich sein. Es liegt alsdann ein Gesetz im
Rechtssinne überhaupt nicht vor. Niemals aber kann ein ver-