Stellung Carl's VII. 11
Von dem neuen Kaiser durfte man zwar nicht erwarten, daß er
allen Mißständen ein Ende machen werde, aber er konnte doch jenen
indirecten Einfluß nicht ausüben, der auf einer überlegenen Haus-
macht beruhte, wie sie Oesterreich besaß;, der Natur der Sache nach
war ein wittelsbachischer Kaiser viel mehr auf ein freies und gleiches
Verhältniß zu den Ständen des Reiches angewiesen als ein öster-
reichischer.
In früheren Jahrhunderten hatte es Einigen geschienen, als
könne der Schwerpunkt der deutschen Verfassung in die Städte und
ihre Genossenschaft gelegt werden; wenn es aber überhaupt zweifel-
haft ist, ob das jemals möglich gewesen wäre, so waren sie jetzt im
Gegentheil von allem Einfluß ausgeschlossen. Sie sandten großen-
theils keine Abgeordnete mehr zum Reichstag, sondern trugen Regens-
burger Bürgern ihre Vertretung auf, deren Gespräche auf der Trink-
stube ihren Committenten wenig Ehre machten.
In einer späteren Zeit hatte in den wichtigsten Angelegenheiten
das fürstliche Collegium den Ausschlag gegeben. Durch die große
Anzahl geistlicher Mitglieder und den natürlichen Gegensatz der min-
dermächtigen weltlichen gegen die mächtigeren war es zuweilen in
schwierigen Augenblicken das Werkzeug der kaiserlichen und katholischen
Gewalt geworden; die Fürsten betrachteten sich dann als den eigent-
lichen Körper des Reiches; noch in dem siebzehnten Jahrhundert hatten
sie sich in der Partei der Capitulanten heftig geregt, und so eben
hielten sie eine auf die Erhaltung ihrer Vorrechte abzielende Zusammen-
kunft, die jedoch eben darin ihren Grund hatte, daß sie den alten
Einfluß nicht mehr besaßen.
gar kein Gehör gegeben, die Sachen mit der größten Schlöfrigkeit tractirt, so
daß der Reichsconvent verächtlich geworden. Die Gravamina gegen die Reichs-
hofrathsordnung de aõ 1711 seien nicht allein nicht abgestellt, sondern gar
ernstlich in Betracht gezogen worden. Noch finden sich gravamina imperlü
communia von diesem Jahre, z. B.: neglectus imperii in negotiis pacis ct
belli; Diepensation der Reichscassengelder durch kaiserliche Generale; Ver-
pflegung der kaiserlichen Truppen nach einem zu geringen Etappenfuß; Be-
setzung der Stelle eines Kammerrichters mit Personen, die durch allerlei Re-
spectus gebunden; unerhörter processus rescriptitius beim Reichshofrath, der
vota ad imperatorem sormire und dadurch in die Hände der österreichischen
Minister arbeite, da doch Sachen, Über welche der Reichshofrath nicht ent-
scheiden wolle, ad caesarem et status zu bringen seien“ u. s. w. Man sieht
daraus, daß sich den Klagen, wie sie so oft in der Correspondenz Eugens er-
scheinen, auch andere entgegensetzen lassen. Ob wohl unsere Reichshistorie
jemals bis ins achtzehnte Jahrhundert vordringen wird? Man sollte einmal
die Geschichte der Gahlen zusammenstellen.