Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde.

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Verlaffen wir den friedlichen Hof de3 Bauern; wandern wir aud 
dem ftillen Wiefenthale des Niederlandes den Bergen zu; folgen mir 
den Alpenwaffern, die rafchen Sprunges, gleich den tangenden 
Burichen, die Hochebene durdeilen, zu den Bergen bed Hodlandes. 
Hier im Gebiete Shäumender Mafferfälle und raufchender Wildbäce 
wird Alles Iuftiger, großartiger, Eühner; fteile VBerghänge und ttefvers 
borgene Felfenthäler und finftere Schluchten finden wir bier, wo bie 
mächtigen, von Alter und Wind zufammengebrachenen Tanıen zu uns 
berten, ja zu Taufenden, mit fußhohen Mooje überbedt, dahin modern 
und den jungen Nahmwuchs aus ihren Leichen aufwachjen lajfen. Sr 
diefer wunderreichen Alpenwelt tönt Tas jubelnde Pied jauchzender Lut 
durhdringender md heller; alfein auch Die mehmuihguolite Sehnfucht 
finget ihre Klagen hier in jchmerziicheren, berzburchiehnetdenten Zöner. 
Da fteigt der Hirt fichern Fukes die höchite Felfenwandb Binaıt, 
eine Blume, den Preis feiner KRühnheit zu pflüden, er jtedt fie auf 
den Hut und fingt ein munteres Xied. Auf einer anderen Söhne aber, 
weit vor ihm, wo feine Luft nicht Hindringt, fit wielleicht in ter 
todtenftillen Einfamfeit nadter selfen, wo feine Blumen blühen, ein: 
Sennerin, die in Wind und Wetter ihr Lird in tas Thal binablingt; 
der Hirtenfuabe der näditen Mlpe hört E35 er fingt ed weiter, mod 
bald erfchallt «8 von Mund zu Mund die Thäler auf und ab. 
Se Höher wir aber im Hochgebirge hinaufiteigen, m jo finiterer, 
wilder, menjchenfeindlicher wird Die Durch Die Gleticher erjtarrende un 
erfterbende Natur .Hier in der ftummen Debe, wo fein Baum mehr 
fte&t, wa Jehroffe Yeifenwände jich emporthürmen, — hier braucht 23 
allerdingd „a Schnerd”, wenn der Menjch in diefen Sıhreden nicht, 
gleich der Natur, in Zrübfinn vertrauern und erftsrren mill. Aber 
ou Hier fchreitet Lüng3 den falten übereijten Yeldmänden frofen 
Mutb8 ein äger Daber, 
So ift Das Volk, da8 in viefen Bergen und Draußen auf der 
Hochebene wohnt, ein abgehärtetes. Nicht nur von Norden, fonbern 
auch von Süden wird e8 über die Hohen Gisberge won falten Minten 
angeweht; e8 bedarf einer tüchtigen, nachhaltigen Nahrung, und biefe 
gewähren ıhm Bier und Knödel, die fein Mark und Bein Eräftigen, 
daß e8, jtarfen Knochenbaues, ben Meühjeligfeiten und ten Stürmen 
des Vebend Trob bietet, Und daran fehlt e8 ihn nid. 
Sind ihm aber auch die Tage milden Sonnenjcheind nur mit 
targer Hand zugemeffen, 9 ftrahlt dagegen fein’ Himmel an folhen 
Tagen in dem Hefen Blau de3 Südens, wie nicht leicht andermärts 
in deutjchen Landen; ijt feine Luft au raus und kalt, jo ift e8 doch 
eine reine Mlpenluft, die das Leben erfrijcht und erwedt; Alyenblumen 
wachjen an ben Ufern feiner rajcken Wafjer,; die yelfen feiner Berge 
reizen jeinen fühnen Geift, fie zu eriteigen; die Einjamfeit feiner IBäl- 
der Iodt ihn hinaus und mäbrt feine Leidenschaft zur Sägerei; Friegex 
riich tft daher vor Allen fein Sinn und Furht ihn fremd. Kein 
beutjhere Stamm Hat mit mehr Musdaner die größten Velhiwerben
	        
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